Klimakompetenzzentren in Afrika – „Forschen mit, statt in Afrika“

Pflanze wächst aus vertrocknetem Boden

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die afrikanischen Staaten bei der Gründung und dem Betrieb von zwei Wissenschaftszentren, damit sie die Folgen des Klimawandels besser bewältigen können. Ziel ist es, die Wissenschaftler des Kontinents zu vernetzen und die Regierungen zur gemeinschaftlichen Forschung anzuregen. Das Wissen vor Ort soll ausgebaut werden – und nicht nach Auslaufen der Forschungsprojekte den Kontinent verlassen.

Die afrikanischen Verhandlungspartner witterten eine Falle. Zu schön klang es, was ihnen die Bundesregierung anzubieten hatte. Die Deutschen versprachen tatsächlich, Westafrika bei der Errichtung eines Wissenschaftszentrums zur Erforschung des Klimawandels zu helfen, ohne die Forschungsinhalte zu diktieren? Bis zu 100 Millionen Euro hier und im Süden Afrikas in den kommenden Jahren zu investieren, ohne die Ergebnisse nur für sich selbst nutzen zu wollen? „Die Skepsis vieler Staaten war fast mit Händen zu greifen“, erinnert sich Dr. Gisela Helbig. Sie ist als Leiterin des Referats „Globaler Wandel“ im BMBF für den Aufbau der Klimakompetenzzentren in West- und im südlichen Afrika verantwortlich.

Radikal neuer Ansatz

In der Tat ist es ein radikal neuer Ansatz, den das BMBF verfolgt. Ziel ist es, den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen beim Aufbau entsprechender wissenschaftlicher Strukturen zu helfen, damit die Staaten vor Ort selbst valide Entscheidungen etwa im Hinblick auf ihre Landnutzung und Wasserversorgung treffen können. Doch die Fördergelder sind keine karitative Entwicklungshilfe, sondern eine Investition, von der sich das BMBF wertvolles Wissen im Kampf gegen den Klimawandel verspricht. Zudem geht es um den Aufbau und die Pflege vertrauensvoller Partnerschaften mit den beteiligten Staaten auch über die Forschungszusammenarbeit hinaus. 

Dahinter steht die Überzeugung, dass regionale Probleme nur mithilfe regionaler Forschung gelöst werden können. „Wir müssen vor Ort nachhaltige Strukturen schaffen, eine wissenschaftliche Community mit aufbauen, damit das Wissen nach Auslaufen der diversen Förderprogramme nicht verloren geht und auch weiterverfolgt wird“, erklärt Wilfried Kraus, Leiter der BMBF-Unterabteilung „Nachhaltigkeit, Klima, Energie“. „Forschen mit, statt in Afrika“, lautet die neue Zielsetzung. 

Direkte und indirekte Folgen des Klimawandels

Nach intensiven Verhandlungen unterzeichnete am 10. Februar 2012 der Staatssekretär im Forschungsministerium Dr. Georg Schütte nun in der togoischen Hauptstadt Lomé einen Kooperationsvertrag mit zehn afrikanischen Staaten: Benin, Burkina Faso, Gambia, Ghana, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Nigeria, Senegal und Togo. Damit ist der Aufbau des „West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use“ (WASCAL) beschlossene Sache, auch die Finanzierung ist für mindestens fünf Jahre gesichert. 

In Ouagadougou in Burkina Faso entsteht ein neuer Campus mit Laboren und Hörsälen, die Verwaltung und der administrative Sitz von WASCAL wird in Accra in Ghana beheimatet sein. Im Klimakompetenzzentrum in Ouagadougou sollen die Forschungsergebnisse aller beteiligten Staaten zusammen laufen. So gibt es in jedem Land ein Programm für Doktoranden, das sich mit einem Spezialaspekt beschäftigt, beispielsweise in Benin „Klimawandel und Wasser(-nutzung)“ und „Biodiversität“ in der Elfenbeinküste. Die afrikanischen Regierungen haben sich dazu verpflichtet, von August 2012 an Teile der laufenden Kosten zu übernehmen. Und der Anteil steigt: Von zunächst rund fünf Prozent pro Jahr auf zwanzig Prozent 2016. 

Das Bundesforschungsministerium stemmt lediglich die Anschubfinanzierung komplett. Welche Forschungsprojekte WASCAL konkret in Angriff nimmt, liegt in der Hand der Afrikaner selbst. In Workshops formulierten die Wissenschaftler bereits eine Prioritätenliste. Demnach werden sie sowohl die direkten Folgen des Klimawandels untersuchen, wie Verteilung der Niederschläge, Ausbreitung der Wüsten, als auch die indirekten Folgen wie Nahrungsmittelversorgung, Migration und sicherheitspolitische Aspekte.

Zusammenhänge erkennen

„Das Problembewusstsein für die gravierenden Folgen des Klimawandels ist da“, sagt Professor Paul Vlek, WASCAL Executive Director, „aber das Know-how, die empirischen Daten fehlen. Viele Zusammenhänge sind noch nicht erforscht, z. B. welche Konsequenzen die Art der Landnutzung in einem Land für das Klima in der Region oder für die Öko- und Sozialsysteme der Nachbarländer hat. Unser Ziel ist es, das Wissen um Zusammenhänge auf ein neues Niveau zu bringen.“

Analog zu WASCAL steht auch im südlichen Afrika die Gründung eines Kompetenzzentrums (SASSCAL) unmittelbar bevor: mit Hauptsitz im namibischen Windhoek und Büros in Angola, Botsuana, Sambia und Südafrika. Gemeinsam werden regionale Forschungs-, Bildungs- und Servicestrukturen aufgebaut.


Dieser Artikel wurde erstmals im Rahmen der Verlagsbeilage „Perspektive Erde“ im „journalist“ erschienen. Gerne können Sie Texte und Grafiken bei Nennung der Quelle „Perspektive Erde“ zu redaktionellen Zwecken verwenden. Die elektronische Fassung der Publikation und alle Grafiken finden Sie hier.

 

Weitere Informationen:

„Perspektive Erde“ bei FONA

WASCAL Klimakompetenzzentrum

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