Anders wirtschaften

Ingenieur mit Vermessungsgerät vor Weltkugel

Auf dem UN-Gipfel „Rio+20“ im Sommer 2012 wird die „Green Economy“, eine nachhaltige weltweite Wirtschaftsordnung, einen der beiden Eckpfeiler darstellen. Ziel der „Green Economy“ ist es, dem Klimawandel zu begegnen, den Wohlstand global gerechter zu verteilen und Ressourcen schonender und effizienter zu nutzen. Deutschland möchte dank intensiver Forschungsarbeit zum Vorreiter in Sachen Energiewende und Rohstoffeffizienz werden. 

Ob Wasser, Energie oder Metalle – viele Ressourcen gelten heute als übernutzt und knapp. Auf die meisten können wir nicht verzichten. Aber wir können uns bemühen, sie effizienter einzusetzen statt kostbare Materialien zu vergeuden. Die Bundesregierung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, bis 2020 die Rohstoffproduktivität zu verdoppeln. Für einige Ressourcen, wie zum Beispiel die so genannten Seltenen Erden, gibt es bereits heute Engpässe in der Industrie. Diese raren Metalle werden für eine Green Economy jedoch dringend benötigt – etwa für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Elektromobilität, da sie unter anderem in Generatoren von Windkraftanlagen sowie in Elektromotoren verbaut werden. 

Der Klimawandel schreitet voran

Klar ist: Ohne eine Energiewende wird die Green Economy nicht gelingen. Weltweit ist der jährliche Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 um 40 Prozent gestiegen. Fossile Energieträger machen heute noch 85 Prozent der Primärenergie aus – und die Nutzung von Kohle als „schmutzigster“ fossiler Energieform nimmt seit einigen Jahren sogar wieder zu. Die globale Erderwärmung seit Beginn des 20. Jahrhunderts beträgt 0,8 Grad Celsius – das heißt, der Klimawandel schreitet ungebremst voran.

Hinzu kommt, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 von heute 7 Milliarden auf 9 Milliarden Menschen anwachsen wird. Die größten Zuwächse werden dabei weiterhin die urbanen Räume verzeichnen: Heute leben erstmals mehr Menschen auf der Welt in Städten als auf dem Land. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es gerade einmal 10 bis 15 Prozent. Da Städte rund drei Viertel der weltweiten Energie verbrauchen und auch einen höheren Ressourcenbedarf haben als ländliche Gebiete, werden mit steigender Bevölkerung und Wohlstandsmehrung auch der Klimawandel weiter befeuert und der Rohstoffvorrat der Erde aufgebraucht. Deshalb spielen Städte eine entscheidende Rolle bei der Transformation zu einer Green Economy. 

Müllkippen bergen Goldschätze

In Deutschland leben 40,3 Millionen Menschen in urbanen Räumen, wo sie beträchtliche Mengen an Rohstoffen verbrauchen. Ein Großteil der Stoffe landet in Form ausgedienter Produkte auf dem Müll. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Mobiltelefons zum Beispiel liegt bei gerade einmal 2,4 Jahren. Nur etwa drei Prozent aller Verbraucherinnen und Verbraucher lassen ihr Telefon recyceln. Weggeworfene Handys, Leuchtstofflampen oder Plasmafernseher stecken jedoch voller kostbarer Stoffe. Hier setzt die Forschung für nachhaltige Entwicklungen an. Sie möchte die Abfallwirtschaft in eine Ressourcenwirtschaft verwandeln. Der städtische Raum fungiert dabei als riesige Rohstoffmine, dessen Schätze nur gehoben, rückgeführt und wiederverwertet werden müssen. „Urban Mining“ nennen Fachleute das.

Dafür begeben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Großstädten auf Schatzsuche. Prof. Dr.-Ing. Vera Susanne Rotter von der Technischen Universität Berlin, Fachbereich Abfallwirtschaft, sorgt dafür, dass Rohstoffe, die im Abfall „schlummern“, wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. „Im städtischen Raum konzentrieren sich Produktion, Verwertung und die Beseitigung von Abfällen. Diese Ver- und Entsorgungsaufgaben aufeinander abzustimmen und dabei die Lebensqualität in Städten zu erhöhen, wird Aufgabe in den nächsten Jahren sein“, beschreibt sie ihr Forschungsgebiet. 

Derzeit werden beispielsweise nur zehn Prozent des Goldes, welches sich in Mobiltelefonen befindet, tatsächlich zurückgewonnen. Den ökonomischen Verlust beziffern Fachleute auf bis zu zehn Millionen US-Dollar. Für andere Metalle wie Tantal und Indium sieht es nicht besser aus. Ursachen dafür lassen sich viele finden: unzureichende Trennung durch die Bürgerinnen und Bürger, Sortiertechnologien, die sich nur auf die „Massenwerkstoffe“ wie Kunststoff, Stahl und Aluminium konzentrieren, aber auch fehlende metallurgische Prozesse, die den komplexen Stoff-Mix in Elektronikgeräten trennen können. Prof. Dr.-Ing. Vera Susanne Rotter und ihr Team erarbeiten deshalb Strategien, wie Recyclingnetzwerke etabliert und in die Lage versetzt werden können, strategisch wichtige Rohstoffe zu erhalten. „Denn es wäre nicht wirtschaftlich, diese nicht wieder zu nutzen“, sagt die Professorin.

1 - 1 von 1 Kommentar(e)

Eberhard Kühne

Dienstag, 12.06.12 10:24

Seit Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie die Ressourcen in ihrer qualitativen Vielfalt in die Ökononie einbezogen werden können. Dazu habe ich schon auf dem Berg- und Hüttemmännischen Tag in Freiberg ca. 1984 gesprochen. In der Zeitung Umweltwirtschaftsforum ist mein Aufsatz erschienen "Die Implementierung des Ressourcenbegriffes in die Betriebswirtschaftslehre als Ansatz ...". Bei Heise/Telepolis gibt es dazu eine online- Veröffentlichung in zwei Teilen. Vielleicht interessiert sich mal jemand für diese Gedanken.
Es geht um Betrachtungen der Ressourcen bezüglich ihrer Entstehung, Verhalten bei der Nutzung und nach Ende ihrer Nutzung. Darauf soll eine neue Ökonomie basieren.
mfg

Eberhartd Kühne

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