Professor Thomas Junghanss

 

„Eine menschliche Verpflichtung“

 

An Buruli-Ulkus erkranken vor allem Kinder in Feuchtgebieten Afrikas. Sie leiden unter großflächigen Hautgeschwüren, die oft zu Entstellungen führen. Gemeinsam mit Kooperationspartnern in Afrika und Europa hat Professor Thomas Junghanss, Leiter der Sektion Klinische Tropenmedizin an der Uniklinik Heidelberg, eine neue Behandlungsmethode entwickelt.

Herr Professor Junghanss, Sie forschen zu Buruli-Ulkus. Wie gravierend ist die Krankheit?
Thomas Junghanss: 
Mit solchen Beurteilungen muss man vorsichtig sein. Buruli Ulkus ist nicht tödlich und betrifft nicht Millionen von Menschen wie manch andere vernachlässigte Krankheiten. Aber Buruli Ulkus entstellt die Betroffenen stark und führt zu chronischen Schäden, denn der Erreger (Mycobacterium ulcerans) zerstört die Haut und Unterhaut. Der Übertragungsweg ist bisher nicht sicher. Der Erreger hält sich vermutlich im Wasser auf – denn die Erkrankten leben zumeist in Feuchtgebieten – und dringt über Verletzungen in die Haut ein. Äußerlich beginnt die Krankheit mit kleinen Knoten in der Haut und führt zu großflächigen Geschwüren. Die Betroffenen verstecken meist ihre Geschwüre und gehen nicht zum Arzt, deshalb wird die Krankheit häufig zu spät erkannt. Die narbige Abheilung der Geschwüre hat meist so genannte Kontrakturen zur Folge, also Muskel- und Sehnenverkürzungen, so dass die Beweglichkeit der betroffenen Gliedmaßen stark eingeschränkt bleibt. Die Krankheit ist deshalb sehr stigmatisierend. Angesichts dessen – und weil meist Kinder bis 15 Jahren betroffen sind –, ist es eine sehr gravierende Erkrankung.

Welche Therapien gab es bisher?
Thomas Junghanss:
Über viele Jahrzehnte konnte man die Krankheit nur chirurgisch behandeln. Das zerstörte Gewebe wird dabei großflächig entfernt, so dass anschließend Hauttransplantationen notwendig sind – in sehr schweren Fällen muss sogar amputiert werden. Die chirurgische Behandlung ist für die Patienten sehr belastend, riskant und teuer. Seit einigen Jahren werden auch antimikrobielle Medikamente (Rifampicin und Streptomycin) eingesetzt. Diese Behandlung muss über mehrere Wochen durchgeführt werden, wobei das Streptomycin täglich gespritzt werden muss.

Sie haben nun eine weitere Behandlungsmethode gefunden, die anscheinend effektiv, unkompliziert und kostengünstig ist.
Thomas Junghanss:
Ja, unsere Behandlungsmethode beruht darauf, dass sich der Krankheitserreger bei Temperaturen über 37 Grad nicht mehr vermehrt – ein Therapieansatz, den der amerikanische Pathologe Wayne Meyers in den 1970iger Jahren erstmals vorgeschlagen hat. Damals gab es jedoch kein passendes Wärmeapplikationssystem. Wir haben diese Idee gemeinsam mit Ingenieuren des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung in Würzburg aufgegriffen und benutzen dafür „Wärmekissen“: Kunststoffbeutel, die mit einer Wasser-Salz-Mischung gefüllt sind, im Wasser erhitzt und auf die Geschwüre gelegt werden. Das ist im Prinzip von den Handwärmern abgeleitet, wie wir sie im Winter in der Manteltasche tragen. Sofern sich unsere ersten Erfolge mit diesem Wärmeapplikationssystem bestätigen, hat man eine weitere Möglichkeit, Buruli Ulkus zu behandeln. Unsere Methode hat außerdem zwei große Vorteile: Die Patienten mit kleineren Geschwüren können in gemeindenahen Gesundheitszentren behandelt werden und die Behandlung ist praktische nebenwirkungsfrei, so dass man auch keinen Schaden anrichtet, wenn man sich zunächst in der Diagnose getäuscht hat. Einfache Hautgeschwüre, wie sie zum Beispiel nach Verletzungen vorkommen, heilen mit diesem Verband auch sehr gut und ansonsten kann man die Diagnose revidieren, wenn man nach ein bis zwei Wochen keinen ersten Heilungserfolg sieht.

Nachdem die Pilotstudie am Krankenhaus in Ayos (Kamerun) mit wenigen Patienten erfolgreich war, läuft nun dort die Folgestudie …
Thomas Junghanss:
Wir sind dabei, in diese Studie 100 Patienten einzuschließen und bisher haben wir ähnlich positive Ergebnisse wie in der Pilotstudie: Kleinere Geschwüre heilten bei allen innerhalb einiger Wochen ab. Die erste Patientengruppe hat auch schon die Nachuntersuchung hinter sich und dabei wurden keine Rückfälle entdeckt.

Wie geht es jetzt weiter?
Thomas Junghanss:
Die gerade laufende Folgestudie wird bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Dann soll die Wärmebehandlung ab 2012/13 im Rahmen einer weiteren Studie in Gesundheitszentren untersucht werden. Das heißt, die Methode wird dann unter Normalbedingungen angewendet, aber von einem Monitoring begleitet. Außerdem kooperieren wir parallel dazu mit dem Noguchi-Institut in Accra, der Hauptstadt von Ghana, im Bereich laborbasierter Forschung. Der Buruli Ulkus-Erreger wird hier kultiviert und typisiert, um so tiefere Einblicke in das Krankheitsgeschehen und die Infektionsübertragung zu bekommen. Das Schweizer Tropen- und Public-Health-Institut ist bei diesen Forschungsarbeiten ebenso wie in Kamerun unser Partner. Sehr wichtig ist es, die Krankheit früh zu erkennen und zu behandeln, das heißt klinisches Erkennen der Erkrankung, Laborbestätigung und die Auswahl der geeigneten Therapie müssen Hand in Hand gehen.

Warum sind solche internationalen Kooperationen, wie Sie sie beispielsweise mit Kamerun und Ghana pflegen, wichtig?
Thomas Junghanss:
Im Grundsatz geht es ja um die Frage, wie wir global zusammenleben wollen. Die Welt zerfällt in zwei Gruppen, auf der einen Seite die Industrieländer mit ihrer High-Tech-Forschung, auf der anderen die armen Länder, in denen der größte Teil der Menschheit lebt und die in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Ernährung maßlos benachteiligt sind. In diese globalen Gerechtigkeits- und Entwicklungsfragen investieren wir viel zu wenig. Das betrifft nicht nur die direkte Gesundheitsvorsorge, damit die Menschen beispielsweise nicht an Malaria sterben oder besser erst gar nicht daran erkranken, sondern berührt grundsätzliche Fragen der gerechten Ressourcenverteilung und Chancengleichheit. Wie kann es angehen, dass in vielen Regionen der Welt immer noch unzählige Frauen an verhinderbaren Komplikationen der Schwangerschaft und Geburt sterben oder dass Sie als Frau nicht entscheiden können, wie viel Kinder Sie bekommen – vor allem wenn jede Geburt eine Lebensbedrohung sein kann? Wir sollten auch nicht die verheerenden Auswirkungen der Mangelernährung für die körperliche und geistige Entwicklung als zusätzlichen Risikofaktor bei Erkrankungen vergessen.

Ist Gesundheitsforschung für Sie eine Lebensaufgabe?
Thomas Junghanss:
Ich sehe das als menschliche Verpflichtung. Die Forschungsarbeit in armen Ländern ist anstrengend, auch persönlich mit gewissen Risiken verbunden und sicher keine klassische Karrierelaufbahn. Aber diese Forschung ist absolut erforderlich und eine schöne Aufgabe – auch, weil sie Barrieren beseitigt und zu Zusammenarbeit und Verständigung beiträgt.

 

Weitere Informationen:

Universitätsklinikum Heidelberg, Department für Infektiologie: Sektion Klinische Treopenmedizin

 

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