Innovativer Forschungsansatz

Prof. Thomas Jungshanss Gemeinsam mit Kooperationspartnern in Afrika und Europa hat Professor Thomas Junghanss, Leiter der Sektion Klinische Tropenmedizin an der Uniklinik Heidelberg, eine neue Behandlungsmethode entwickelt

Ein zentraler Punkt bei der Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten sind Produktentwicklungspartnerschaften (PDP): Non-Profit-Organisationen, die Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika gegen vernachlässigte Krankheiten entwickeln und kostengünstig auf den Markt bringen.

Die traditionelle staatliche Forschungsförderung finanziert Grundlagenforschung, aber nicht teure klinische Studien. Letzteres machen in der Regel Pharmaunternehmen. Und genau hier liegt das Problem der „vernachlässigten Krankheiten“: Da sie vor allem Menschen in Entwicklungsländern betreffen, sind sie für Pharmaunternehmen ökonomisch uninteressant. „Deshalb muss diese Forschung ohne Gewinnorientierung finanziert werden und eine Möglichkeit dafür sind Produktentwicklungspartnerschaften“, erklärt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von „Ärzte ohne Grenzen“, der exklusiv für das Jahr der Gesundheitsforschung seine Gedanken zu diesen moralischen Fragen der Gesundheitsforschung in einem Essay zur Debatte stellt. Für ihn sind diese Produktentwicklungspartnerschaften (PDP) geeignete Kooperationsmodelle zwischen Forschungseinrichtungen, Pharmafirmen und NGOs, um Impfstoffe, Medikamente und Diagnoseverfahren gegen vernachlässigte Krankheiten zu entwickeln und dabei nicht gewinnorientiert zu arbeiten.

Zudem versuchen PDPs ein weiteres „Handicap“ staatlicher Forschungsförderung zu umgehen: „Staatliche Fördergelder sind meist an einzelne Projekte geknüpft. Da wird dann geforscht, bis die Projektmittel erschöpft sind“, erläutert Oliver Moldenhauer. Doch die meisten Forschungs- und Entwicklungsideen scheitern zu irgendeinem Zeitpunkt in der Realität: „Was im Reagenzglas oder am Tier funktioniert, wirkt dann eben doch nicht bei Menschen oder ist zu toxisch.“ PDPs aber fördern mehrere Projekte und anhand regelmäßiger Evaluationen wird das Geld gegebenenfalls umgeschichtet, so dass vielversprechende Projekte weiterfinanziert und weniger erfolgreiche Projekte gestoppt werden (so genanntes Portfolio-Management).

Manche PDPs unterhalten eigene Labore, aber die meisten kooperieren mit weiteren Institutionen, zum Beispiel öffentlichen Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen. „Diese müssen dann nicht Entwicklungskosten – mit dem Risiko des Scheiterns – tragen und produzieren dafür für geringere Gewinnmargen“, beschreibt Oliver Moldenhauer das Prinzip. Ein weiterer Vorteil sei, dass man auf das Wissen und die Produktbibliothek der Pharmafirmen zurückgreifen könne: „Eflornithin, das heute zur Behandlung der Schlafkrankheit eingesetzt wird, wurde beispielsweise ursprünglich zur Krebsbehandlung entwickelt, hat sich dafür aber als ungeeignet herausgestellt.“ Das bis dahin verabreichte Medikament Melarsoprol ist über 50 Jahre alt und weil es arsenhaltig ist, starben über fünf Prozent der Patienten an den Nebenwirkungen.

Die PDP „Drugs for Neglected Diseases initiative“ (DNDi) hat zusammen mit „Ärzte ohne Grenzen“ inzwischen eine Nifurtimox/Eflornithin-Kombinationstherapie entwickelt, die deutlich weniger aufwendig ist als die alleinige Eflornithin-Behandlung: „Durch Zugabe von Nifurtimox-Tabletten ist nur noch eine statt bisher drei Eflornithin-Infusionen pro Tag notwendig – und die Behandlungsdauer konnte damit auch verkürzt werden.“ Doch trotz dieses Erfolges besteht auch bei der Schlafkrankheit weiter Forschungsbedarf: „Besser wäre eine Behandlung nur mit Tabletten, weil sie einfacher zu verabreichen und deshalb auch deutlich günstiger sind. Außerdem ist es wegen des Risikos, dass sich Resistenzen entwickeln, immer wichtig, dass mehrere Medikamente zur Verfügung stehen“, erklärt Oliver Moldenhauer. Weitere erfolgreiche Beispiele für die Arbeit von PDPs sind die kindergerechte Dosierung eines Malariamedikaments durch die Medicines for Malaria Venture (MMV) oder die Entwicklung von Diagnoseverfahren zum Nachweis von multiresistenter Tuberkulose durch die Foundation for Innovative New Diagnistics (FIND).

Die ersten PDPs wurden Mitte der 1990er gegründet. Finanziert wurden sie 2009 größtenteils durch die Bill und Melinda Gates Stiftung, die mit fast 300 Millionen Dollar mehr als die Hälfte der verfügbaren Mittel bereitstellte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2011 eine neue Fördermaßnahme ausgeschrieben, die PDPs bis 2014 mit insgesamt 20 Millionen Euro fördert. Schwerpunkte der Fördermaßnahme sind neben den vernachlässigten Tropenkrankheiten Krankheiten, die vor allem Kinder in Entwicklungsländern betreffen, wie beispielsweise bakterielle Pneumonie und Meningitis, Durchfallerkrankungen oder Malaria.

„PDPs sind zwar kein Allheilmittel“, betont Oliver Moldenhauer, „aber ein Baustein, um bezahlbare Medikamente für vernachlässigte Krankheiten zu entwickeln.“ Und er formuliert im Jahr der Gesundheitsforschung eine Grundvoraussetzung dafür: „Die Forschungsergebnisse müssen frei zur Verfügung gestellt werden, dürfen also nicht patentiert werden, so dass jeder die Medikamente nachbauen kann.“ 

Mehr zum Thema "Vernachlässigte Krankheiten & globale Kooperation"