Kleine Tierchen, große Faszination

Kristina von Rintelen

Die Biologin Kristina von Rintelen (37) forscht an Garnelen. Um an die kleinen Krebse zu kommen, taucht sie ab – sie fängt ihr Forschungsmaterial in Indonesien. Die Mutter von zwei Kindern untersucht die Tierchen dann später im Naturkundemuseum in Berlin.

 

Frau von Rintelen, was reizt Sie an Ihrer Arbeit als Forscherin?

Kristina von Rintelen:  Die Vielfalt der Aufgaben. Ich fahre regelmäßig ins Ausland zu Treffen und zum Austausch mit anderen Wissenschaftlern. Das kann einen auch schon mal nach Australien führen. Genauso oft bin ich aber auch auf Expeditionen in Asien unterwegs, hauptsächlich in Indonesien. Dort mach ich das, was andere Forscher schon vor hundert Jahren getan haben, ich sammele meine Forschungstiere direkt dort, wo sie vorkommen. Nach dem ich sie gefangen habe, werden sie an meinen Arbeitsplatz geschickt, ins Museum für Naturkunde in Berlin.


Das ist ja auch ein interessanter Arbeitsplatz in einem schönen Gebäude...

Kristina von Rintelen:  Wer schon einmal bei uns im Naturkundemuseum war, weiß vielleicht, dass es sich um ein sehr altes Gebäude handelt. Man hat das Gefühl jeder Raum kann eine lange und spannende Geschichte erzählen über die Leute, die schon vor langer Zeit in ihnen gearbeitet oder sie auch nur besucht haben. Ich arbeite allerdings nicht in den Ausstellungsräumen, sondern in Räumen, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt. Allerdings gibt es auch für Besucher die Chance, die wissenschaftlichen Sammlungen und Labore anzuschauen – zum Beispiel zur Langen Nacht der Wissenschaften. 


Was geschieht denn konkret mit den Garnelen, die Sie gefangen haben?

Kristina von Rintelen:  Sie werden unter Licht- und Elektronenmikroskope gelegt, nach Arten bestimmt und vermessen. Im molekulargenetischen Labor wird ihre Erbinformation (DNS) untersucht, um zu schauen wie die Tiere miteinander verwandt sind. Jedes Tier hat seinen eigenen genetischen Fingerabdruck, so wie wir Menschen auch. Wenn ich alle Daten zusammengetragen habe, werte ich sie am Computer aus und veröffentlich die Ergebnisse in biologischen Fachzeitschriften, die Wissenschaftler aus aller Welt lesen können.


Wie kam es dazu, dass Sie sich für Garnelen begeisterten?

Kristina von Rintelen:  Die Garnelen, an denen ich arbeite, kommen nur auf einer indonesischen Insel vor. Als ich einmal ein Praktikum auf dieser Insel machte, fielen mir diese Tierchen besonders aufgrund ihrer sehr hübschen Färbung auf. Da noch niemand an ihnen arbeitete und ich gerade ein Thema für meine Doktorarbeit gesucht habe, wurden sie quasi zu meinen Forscherhaustieren. Das war vor zehn Jahren und bis heute faszinieren sie mich noch immer. Im Grunde untersuche ich, wie diese Tiere auf die Insel gelangen konnten, die niemals eine direkte Verbindung zum Festland hatte, denn direkt übers Meer schwimmen oder fliegen konnten sie nicht.  Ich untersuche auch, wie viele Arten heute dort vorkommen und welche Bedeutung beispielsweise die Farben haben. Wenn ich neue Arten entdecke, gebe ich ihnen wissenschaftliche Namen, z.B. Caridina striata (die gestreifte Caridina-Garnele).


Artenvielfalt ist ja auch ein Thema im Wissenschaftsjahr. Warum ist sie so wichtig?

Kristina von Rintelen:  Artenvielfalt ist für mich die Grundlage des Lebens. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Evolution im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Arten an Lebewesen hervorgebracht hat, zu denen wir als Menschen natürlich auch gehören. Noch immer kennen wir längst nicht alle Arten dieser Erde. Einige werden wohl auch aussterben, bevor sie entdeckt werden.  Nachhaltigkeit bezieht sich ja nicht nur auf die unbelebte Umwelt, zum Beispiel auf Rohstoffe, sondern auch auf die Tiere und Pflanzen dieser Erde. Der Erhalt der Artenvielfalt ist wichtig, damit unsere Erde funktionieren kann wie bisher. Natürlich sind Insekten und Garnelen nicht so niedlich und flauschig wie beispielsweise Pandabären, aber sie sind immens wichtig für die Ökosysteme. Ohne diese sogenannten Wirbellosen, also Tiere ohne eine Wirbelsäule, bräche das ganze System Erde schlichtweg zusammen. Denn sie sind zum Beispiel Nahrungsgrundlage für viele andere Tiere oder bestäuben Pflanzen, wie etwa Bienen oder Hummeln.

Kristina von Rintelen beim Tauchgang
Kristina von Rintelen bei den Tauchvorbereitungen.

Wenn Sie in Indonesien unterwegs sind, gefällt Ihnen das Leben dort?

Kristina von Rintelen:  Indonesien darf man sich nicht als eine Landschaft wie beispielsweise Deutschland vorstellen. Das Land besteht aus tausenden von unterschiedlich großen Inseln, die man nur per Flugzeug oder Schiff erreicht. Die Region ist wunderschön, sehr grün mit zahlreichen Flüssen und klaren Süßwasserseen, die oft Badewannentemperatur haben. Nur in den Städten geht es oft recht laut zu und die Flüsse sind schmutziger. Die Leute sind immer sehr hilfsbereit und helfen einem auch schon mal einen Reifen zu wechseln, wenn man mit dem Auto irgendwo liegen bleibt. Wir Europäer können von den Menschen in Südostasien eine Menge lernen. Zum einen sind sie extrem kinderfreundlich und hilfsbereit. Zum anderen wird viel Wert aufs Kochen und Essen gelegt: Man isst eigentlich immer in Gesellschaft und selten allein.


Worauf freuen Sie sich, wenn Sie nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder in Deutschland sind?

Kristina von Rintelen:  Meine längste Reise bislang hat vier Monate gedauert – das war allerdings vor der Geburt meiner Kinder. Also, wenn ich nach einem längeren Auslandsaufenthalt in den Tropen wieder zurück in Deutschland bin, freue ich mich am meisten auf deutsches Brot und die verschiedenen Jahreszeiten. In den Tropen gibt es nur Trocken- oder Regenzeiten mit ähnlichen Temperaturen das ganze Jahr über, das kann auf Dauer etwas langweilig werden. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Herbst oder Winter vermissen würde.


Haben Sie als Kind ein Vorbild? Wer hat Sie dazu inspiriert, Biologin zu werden?

Kristina von Rintelen:  Direkt aus der Wissenschaft hatte ich damals noch kein Vorbild. Eigentlich war es meine Oma, der ich als Kind immer viel im Garten geholfen habe und die mich schon früh an die Biologie herangeführt hat – auch wenn ich heute nicht an Pflanzen arbeite. Großen Respekt habe ich vor den schon verstorbenen Forschungsreisenden wie den britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace, der 1854 nach Indonesien aufbrach und dort unter viel schwierigeren Bedingungen als heutzutage Tiere sammelte. Zuvor ist ihm bei einem Schiffsbrand sogar seine gesamte Ausbeute an Sammelobjekten zerstört worden. Das war auf der Rückreise von Südamerika nach England. Er hat sich davon jedoch nicht entmutigen lassen, sondern brach zu einer neuen Reise nach Indonesien auf.

 

 

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