Umfrage: Der Wert der Natur

Umfrage

Wie viel sind die weltweiten Korallenriffe pro Jahr wert?

Ergebnis der Umfrage

Buntes Korallenriff mit einer Schildkröte und zwei Fischen
 

Korallenriffe bedecken nur etwa ein Prozent des küstennahen Meeresgrundes, sind jedoch äußerst wertvolle Ökosysteme. Sie bieten Lebensraum für schätzungsweise bis zu drei Millionen Arten, darunter ein Viertel aller Meeresfische. Weltweit hängen Ernährung, Einkommen und Lebensgrundlage von rund 30 Millionen Küstenbewohnerinnen und -bewohnern direkt von den Ökosystemleistungen der Korallenriffe ab. Für den Tourismus, die Fischerei und den Küstenschutz sind die Riffe deshalb vielerorts lebensnotwendig. Berechnungen haben ergeben, dass alle Korallenriffe zusammen den gigantischen Wert von 130 Milliarden (= 130.000.000.000) Euro pro Jahr haben.

Zur Erklärung: Bei konventionellen ökonomischen Bewertungen werden Dienstleistungen von Ökosystemen bislang entweder gar nicht berechnet oder als selbstverständlich angenommen. Dabei besitzen etwa Korallenriffe einen hohen ökonomischen Wert. Um den Wert der Leistungen der Natur besser einschätzen zu können, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schädigung von Ökosystemen zu erfassen und damit die Kosten des Nicht-Handelns zu beziffern, hat die Bundesregierung 2007 gemeinsam mit der EU-Kommission die Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB) unter Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) gestartet.

Ein wertvolles, massiv bedrohtes Ökosystem

TEEB-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in ihren Studien unter anderem die Leistungen, die Korallenriffe weltweit pro Jahr bereitstellen, zusammengerechnet und kamen auf einen geschätzten Wert von 172 Milliarden US-Dollar (etwa 130 Milliarden Euro). Diese gigantische Summe setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: So verhindern Korallenriffe Erosion und schützen die Küstenregionen vor Sturmschäden. Sie beheimaten eine unermessliche Vielfalt von Meeresbewohnern – Pflanzen und Tiere – und sind für die lokale Fischerei von hoher Bedeutung. Die Schönheit der Korallenriffe zieht zudem Taucher und andere Touristen an, die das Naturschauspiel aus der Nähe erkunden wollen. Allein das Great Barrier Reef vor der Küste Australiens besuchen jedes Jahr fast zwei Millionen Touristen und geben dabei über vier Milliarden Australische Dollar aus.

Nur wenn die Menschen den Wert der Korallenriffe erkennen, sind sie auch bereit, sie zu schützen. Denn das Ökosystem ist massiv unter Druck geraten: Über ein Fünftel der Korallenriffe wurde bereits zerstört, weitere 30 Prozent sind bedroht, in den kommenden 30 Jahren zu verschwinden. Gründe dafür sind die generelle Überfischung sowie die Dynamit- und Zyanidfischerei (also Fangmethoden mittels Sprengstoff und chemischen Verbindungen), die industrielle Verschmutzung des Ozeans, die Bebauung der Küste, nicht-nachhaltiger Massentourismus und der Klimawandel, der zur Ausbleichung der Korallen führt.

Korallenriffe als Quelle für Innovationen

Die wirtschaftliche Bedeutung von Ökosystemen und der Biodiversität ist abseits der TEEB-Berechnungen aber auch noch ganz anderer Natur: Für Forschung und Produktentwicklung stellen sie eine wichtige Innovationsquelle dar. So stammen beispielsweise die Substanzen vieler medizinischer Anwendungen, wie etwa Antibiotika oder Krebsmedikamente, aus den Korallenriffen. Auch gehen Klebstoffe zum Wundverschluss und zur Heilung von Knochenbrüchen auf den Kleber zurück, den Muscheln benutzen, um sich an die Felsen zu haften.

In der Bionik, also der Umsetzung technischer Innovationen nach dem Vorbild der Natur, ist der Wert der Korallenriffe noch gar nicht zu beziffern. Die Erforschung ihrer Millionen Pflanzen- und Tierarten hat gerade erst begonnen. Doch erste Übertragungen in die technische Anwendung gibt es bereits. So haben beispielsweise Forscherinnen und Forscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) Autofelgen nach dem Strukturprinzip von Kieselalgen gefertigt – was die Straßenlage verbessert und die Fahrzeuge leichter (und damit spritsparender) macht.

Von der Paradiesvogelblume zum Sonnenschutz

Viele Anwendungen, die wir heute im Alltag benutzen, haben ihren Ursprung in der Natur: Der erste funktionierende Fallschirm wurde im 19. Jahrhundert nach dem Prinzip der Wiesen-Bocksbart-Früchte (im Volksmund: „Pusteblume“) produziert, der Klettverschluss trägt seinen Urheber bereits im Namen. In der Fördermaßnahme „Bionische Innovationen für nachhaltige Produkte und Technologien“ (BIONA) fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung praxistaugliche, nachhaltige Entwicklungen mit bionischem Ansatz mit insgesamt 30 Millionen Euro. Im BIONA-Projekt „Bio-inspirierte, wandelbare technische Systeme“ gibt es bereits erste Erfolge zu vermelden.

Ingenieure des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) an der Universität Stuttgart haben gemeinsam mit Biologen der Plant Biomechanics Group an der Universität Freiburg bewegliche Lamellen entwickelt, die ohne wartungsintensive Gelenke funktionieren. Flectofin haben sie ihre Erfindung genannt, die auf den Bestäubungsmechanismus der Paradiesvogelblume zurückgeht. Die Blume wird von Vögeln bestäubt, muss also ein hohes Gewicht aushalten, wenn der Vogel auf dem Blütenteil landet. Die Paradiesvogelblume bietet den Vögeln zum Landen eine Sitzstange aus zwei Blütenblättern an, die sich durch das Gewicht des Vogels nach unten biegen und gleichzeitig eine um die Sexualorgane der Blüte zusammengerollte Blattfläche aufklappen, womit sie den Pollen übertragen.

Diesen stabilen, aber dennoch stufenlos elastischen Klappmechanismus haben die ITKE-Konstrukteure zunächst am Computer simuliert und dann technisch nachgebaut. Zur Anwendung kommt die bionische Erfindung bereits in diesem Mai: Bei der Weltausstellung Expo 2012 in Südkorea wird die Glasfassade eines Pavillons mit einer Konstruktion aus Flectofin-Lamellen vor Sonneneinstrahlung geschützt. Noch muss die Klappbewegung durch Druck eines kleinen Zylinders ausgeübt werden. Nach den Plänen der Forscher wird die Einstellung des Sonnenschutzes aber schon bald allein durch die Temperatur oder UV-Strahlung geregelt – und damit auf jede Energiezufuhr verzichtet.

 

Mehr zum Thema Biodiversität

 

 Weitere Informationen:

BIONA – Bionische Innovationen für nachhaltige Produkte und Technologien

Flectofin-Projekt an der Universität Stuttgart

TEEB-Studie

Themenseite Korallenriffe bei der UNEP

International Coral Reef Initiative (ICRI)

International Coral Reef Action Network (ICRAN)

Die Vielfalt des Meeres im Wissenschaftsjahr Zukunftsprojekt Erde erleben: Ausstellung MeerErleben

Meeresschildkröten-Film in den SchulKinoWochen des Wissenschaftsjahres Zukunftsprojekt Erde: „Sammys Abenteuer“

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