Chlor - aber mit weniger Strom!

Klimafreundliche Herstellung von CO2; Quelle: Bayer MaterialScience

Kommt die Sprache auf Chlor, taucht sofort der typische Geruch aus dem Hallenbad auf. Doch Chlor wird für weit mehr benötigt als nur für die Desinfektion öffentlicher Schwimmbäder. Es ist ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Kunststoffen, wie PVC, aber auch von Medikamenten.

Chlor ist ein Gas und kommt in der Natur nicht elementar, sondern nur gebunden in verschiedenen Verbindungen vor. Chlorgas wird  überwiegend aus Natriumchlorid gewonnen, auch bekannt als Kochsalz. In Deutschland werden jährlich rund fünf Millionen Tonnen hergestellt, weltweit sind es etwa rund 63 Millionen Tonnen.

Dazu werden weltweit rund 200 Millionen Megawattstunden pro Jahr an elektrischer Energie benötigt. Das ist ein Drittel dessen, was im Jahr 2010 in ganz Deutschland an Strom verbraucht wurde. Der Stromverbrauch durch Chlor-Produktion entspricht zudem alleine in Deutschland einer CO2-Emission von etwa acht Millionen Tonnen pro Jahr.

Wieso ist die Herstellung von Chlor so aufwändig?

Um es zu isolieren, muss das Chlor-Gas aus der Grundsubstanz gelöst werden. Das geschieht in der so genannten Chlor-Alkali-Elektrolyse. „Es gibt verschiedene Techniken, die im Lauf der Zeit immer verbessert worden sind“, erklärt Dr. Günter Panzner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er betreut ein Verbundprojekt, das neue Technologien zur Chlorgewinnung bündelt. Vor Projektstart war die Membran-Elektrolyse (seit 1970 bester Stand der Technik) die effektivste Methode, Chlor zu isolieren. „Es ging darum, die an sich schon günstige Membran-Elektrolyse so fortzuentwickeln, dass man noch einmal 30 Prozent Energie sparen kann“, sagt Panzner.

Vor sechs Jahren, also 2006, startete das Verbundprojekt unter Führung der Firma Bayer MaterialScience, einem der großen Chlorhersteller in Deutschland. Kern der neuen Technologie ist eine Sauerstoffverzehrkathode (SVK): Der Wasserstoff, der sonst als gasförmiges Nebenprodukt der Produktion anfällt, wird durch zusätzlich eingespeisten Sauerstoff ins System zurückgeführt. „Das hat große energetische Vorteile“, sagt Panzner. Im Ergebnis sinkt der Stromverbrauch um 30 Prozent – und somit auch der CO2-Ausstoß im Kraftwerk.

Chemiepark Krefeld-Uerdingen; Quelle: Bayer MaterialScience
Der Chemiepark Krefeld-Uerdingen

Ein großer Schritt nach vorne für den Klimaschutz

Zunächst wurde das Modell im Laborversuch an Zellen von 100 Quadratzentimetern getestet, dann mit zwei Kathoden, die jeweils etwa so groß sind wie eine Zimmertür, berichtet Panzner. Nach erfolgreicher Entwicklung wurde im nächsten Schritt 2010 ein so genannter Demonstrator gebaut. Diese Anlage im Chemiepark Krefeld-Uerdingen hat eine Kapazität von 20.000 Jahrestonnen Chlorproduktion. Sie nahm im Mai 2011 den Probebetrieb auf.

An dem Projekt ist neben Bayer MaterialScience auch der Anlagenbauer Uhde beteiligt. Das Projekt ist zudem in enger Zusammenarbeit mit der Universität Dortmund, der Technischen Universität Clausthal, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und weiteren Partnern durchgeführt worden und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für Nachhaltige Entwicklungen“ (FONA) gefördert.

„Es läuft vielversprechend“, sagt Panzner. „Für die weitere Nutzung gibt es Interesse bei Bayer MaterialScience im eigenen Hause, aber auch anderer Hersteller“. Wegen seiner hohen Giftigkeit dürfe es nämlich aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht transportiert werden. Jeder, der Chlor braucht, müsse es vor Ort herstellen. „So gibt es beim Chlor keine direkte Konkurrenz.“

Für den Klimaschutz stellt die Technik laut Panzner einen „großen Schritt nach vorn“ dar. Für die Chlor-Produzenten ist die neue Technologie zudem eine Win-Win-Situation: Durch die Stromersparnis ergibt sich natürlich auch ein erheblicher Kostenvorteil. Außerdem zeichnen sich auch noch andere Anwendungsfelder für den Einsatz von Sauerstoffverzehrkathoden ab, zum Beispiel bei neuen Batteriegenerationen.

 

Weitere Informationen unter:

Zum Projekt

Zum FONA-Schwerpunkt „Forschung zu Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel“

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