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Vorteil statt Vorurteil

Muslim in Deutschland - ein Identitätskonflikt? Um muslimischen Jugendlichen ein neues Selbstverständnis zu vermitteln, bildet der Islamwissenschaftler und Pädagoge Mouhanad Khorchide an der Universität Münster Religionslehrer aus.

Porträt von Mouhanad Khorchide
Prof. Dr. Mouhanad Khorchide

In Deutschland leben heute etwa vier Millionen Muslime. Schätzungen zufolge wird ihr Anteil im Jahr 2030 auf über 5,5 Millionen Menschen ansteigen. Davon profitiert das Land nicht nur kulturell, sondern auch ökonomisch: Von der Putzfrau bis zum Professor arbeiten sie in allen Bereichen und stärken damit unsere Wirtschaftskraft. Durch den demografischen Wandel wird Deutschland also vielfältiger. Doch noch immer wird die öffentliche Debatte über Muslime von Vorurteilen bestimmt. Daher sind Institutionen nötig, die sich sachlich mit dem Islam auseinandersetzen. Ein Beispiel dafür ist das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster, das im Oktober 2012 gegründet wurde. Dort bildet Prof. Mouhanad Khorchide Lehrer für den islamischen Religionsunterricht aus. "Ich betrachte Religionslehrer als Multiplikatoren, die ihr Islamverständnis an junge Muslime weitergeben, die wiederum später das öffentliche Bild des Islam in Deutschland repräsentieren wollen", sagt Khorchide.

Vielfalt der Religionen in Deutschland

Das Zentrum für Islamische Theologie will dabei allen Strömungen des Islam gerecht werden: Ob Sunniten, Schiiten oder Aleviten - wichtig sei, dass man lernt zu reflektieren, erläutert Khorchide. "Die islamische Theologie war immer vielfältig und hatte viele Denkschulen. Warum sollten wir diese Vielfalt nicht auch in Deutschland haben?" Neben Münster entstehen in Osnabrück, Frankfurt, Tübingen und Nürnberg/Erlangen Zentren für islamische Theologie - die ersten ihrer Art in Deutschland.

Ich will die Religion mit der Lebenswirklichkeit der Studenten und Schüler verbinden, anstatt ihnen nur religiöse Dogmen einzuimpfen.

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide

Vermittlung eines modernen Islam

An der Universität Münster sind derzeit 80 Studenten im Lehramtsstudium "Islamische Religionslehre" sowie 70 im Studiengang "Islamische Theologie" eingeschrieben. Lehrinhalte sind zum Beispiel die Arabische Sprache, Religionssoziologie oder Koranwissenschaften. Damit Religion nicht etwas Abstraktes ohne Lebensbezug bleibt, sollen die angehenden Lehrer einen praxisnahen und modernen Islam vermittelt bekommen. "Ich will die Religion mit der Lebenswirklichkeit der Studenten und Schüler verbinden, anstatt ihnen nur religiöse Dogmen einzuimpfen", sagt Khorchide. Gleichzeitig Muslim und Deutscher zu sein - nach Ansicht von Khorchide ist das kein Widerspruch. Dennoch würden sich seine Studenten und Schüler oft fragen, ob das möglich sei. Khorchides Antwort darauf ist ebenso kurz wie klar: "Sowohl als auch!" Junge Menschen sollten seiner Meinung nach erst gar nicht vor einer solchen Wahl stehen. Die Ausbildung am Zentrum für Islamische Theologie in Münster vermittelt eine moderne Interpretation des Islam, die zur Vielfalt in Deutschland passt. Die Bildung einer islamischen Identität, die nicht im Widerspruch zum Leben in Deutschland steht, stellt somit einen wertvollen Beitrag zur Integration dar.


Kurzbiografie:

Prof. Dr. Khorchide