Navigation und Service

Springe direkt zu:

Den Wandel gestalten

Im Gespräch mit Dr. Andreas Hollstein

Viele Städte und Gemeinden schrumpfen. Die Kommune, die in Westdeutschland am stärksten Einwohner verliert, ist die nordrhein-westfälische Stadt Altena. Der Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein erklärt, wie sich der Ort den Herausforderungen des demografischen Wandels stellt und warum der Wandel eine Chance ist.

Porträt von Andreas Hollstein. Im Hintergrund ist die Burg Altena zu sehen
Dr. Andreas Hollstein, Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Altena

Sie regieren als Bürgermeister von Altena die am stärksten schrumpfende Kommune Westdeutschlands – keine leichte Aufgabe.

Das stimmt, in den siebziger Jahren lebten hier noch circa 32.000 Einwohner, heute sind es 18.000. Das stellt uns wie viele andere Gemeinden in Deutschland vor enorme Herausforderungen. Meiner Meinung nach müssen wir den Wandel so gestalten, dass wir auch mit weniger Menschen eine gute Lebensqualität erhalten. Natürlich kann man künftig mit weniger Steuereinnahmen nicht jeden Service anbieten, den wir heute haben. Aber wir können die Strukturen so anpassen, dass wir weiterhin leistungsstark und innovationsfähig sind.

Wie sieht diese Umstrukturierung in der Praxis aus?

Zunächst einmal muss man bereit sein, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen: Wir haben ein Freibad und eine Grundschule geschlossen und in der Verwaltung Personal abgebaut, von 180 auf 135 Beschäftigte. Gleichzeitig haben wir die Zusammenarbeit mit den anliegenden Gemeinden verstärkt. So ist das Standesamt von Altena in einen Nachbarort gezogen, dafür haben wir deren Verwaltungsaufgaben im Bereich Soziales übernommen. Und wir haben 2012 zusammen mit zwei anderen Städten die erste interkommunale Sekundarschule in Nordrhein-Westfalen an den Start gebracht. Die Mittel, die wir so sparen, stecken wir in die Modernisierung der Innenstadt von Altena, in Schulen und bürgerschaftliches Engagement.

Die nordrhein-westfählische Stadt Altena

  • Blick auf die den Stadtkern und die Burg in Altena
    © Stadt Altena
    Uferpromenade der Stadt Altena bei sonnigem Wetter
    © Stadt Altena
    Cafe an der Uferpromenade in Altena
    © Stadt Altena
  • Uferpromenade in Altena bei sonnigem Wetter
    © Stadt Altena
    Stahlskulptur am Ortseingang in Altena
    © Stadt Altena
    Mittelaltermarkt auf der Uferpromenade in Altena
    © Stadt Altena

Wie werden diese Maßnahmen von den Altenaern angenommen?

Meine Erfahrung zeigt: Wenn man die Bürger frühzeitig in Vorhaben einbindet, ist die Akzeptanz am Ende sehr hoch. Deshalb diskutieren wir Ideen schon vor der Planung mit den Einwohnern, lassen die Ideen dann ausgestalten und geben das Ergebnis anschließend wieder in die Bürgerschaft zurück. Vom Prinzip her geht das in Richtung einer Bürgerkommune, in der man die Menschen mehr einbezieht – ihnen aber auch mehr zumutet. Der Wandel stärkt also auch die Gemeinschaft.

Sie sind seit fast 15 Jahren Bürgermeister der Stadt Altena, ist in dieser Zeit das Bewusstsein in der Bevölkerung für den demografischen Wandel gestiegen?

Ja, in Altena gibt es einen Mentalitätswechsel. Anfangs haben in einigen Stadtteilen Bürger begonnen, sich stärker bürgerschaftlich zu engagieren: Eine geschlossene Schule wurde in Eigenleistung zur Begegnungsstätte umgebaut, Lese- und Baumpatenschaften wurden ins Leben gerufen. Und jetzt ziehen immer mehr Stadtteile nach und legen ähnliche Angebote vor. Es ist also eine gewisse Eigendynamik entstanden. Als Stadt wirken wir bei diesen Projekten übrigens nur beratend mit – den Rest machen die Bürger allein.

Was nehmen Sie sich für die Zukunft von Altena vor?

Wir werden auch künftig nicht nur abbauen, sondern auch umbauen. Dabei setzen wir verstärkt auf den Tourismus. Schon heute besuchen mehr als 100.000 Gäste im Jahr unsere Burg Altena oberhalb der Stadt. Allerdings fahren sie am Ort vorbei mit dem Auto hinauf. Um die Besucher verstärkt in die Innenstadt zu locken, wird Ende dieses Jahres ein neuartiger Eventaufzug eröffnet, der den Stadtkern mit der Burg verbindet. Rund um den Lift soll eine Art Krämerdorf enstehen mit urigen Läden, die nach Mittelalter aussehen. Außerdem gehören die neue Uferpromenade und eine Fußgängerbrücke vom Bahnhof zur Innenstadt zur Umgestaltung. Der Wandel ist für uns ein Antrieb zur Modernisierung.

Wie bereiten Sie sich persönlich auf das Alter vor?

Ich habe mich seit meiner Jugend bürgerschaftlich engagiert, vom Sportverein über die Feuerwehr und das Rote Kreuz bis hin zum Kulturverein. Deshalb werde ich sicherlich auch im Alter noch ehrenamtlich aktiv sein. Und vielleicht schenken mir meine Kinder das Vergnügen, dass ich mich irgendwann als rüstiger Großvater außerdem um meine Enkelkinder kümmern kann.

Zur Person:

Dr. Andreas Hollstein ist seit 1999 Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Altena. Mit einem Bevölkerungsrückgang von 32.000 Einwohnern in den siebziger Jahren auf heute 18.000 Einwohner ist Altena die am stärksten schrumpfende Kommune Westdeutschlands. Für ihre Ideen zur erfolgreichen Umstrukturierung hat die Stadt bereits mehrere Preise gewonnen, unter anderem 2009 und 2011 den NRW.Preis für innovative Kommunen.