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Dr. Sonja Ehret

Dr. Sonja Ehret forscht am Institut für Gerontologie an der Universität Heidelberg zu den Themen des demografischen Wandels wie etwa seelische und geistige Dynamiken des Alters, Generativität und Mitverantwortung, sorgende Gesellschaft, ethische Entwicklung, Daseinsthemen.


Die Verlängerung der Lebensspanne wird überraschende Einblicke in für uns neuartig anmutende Erlebens- und Verhaltensweisen des Menschen geben. Dies sind die Stärken und Kräfte des Alters.

Woran forschen Sie?

Ich befasse mich mit dem alten und alternden Menschen, seinem Erleben und Verhalten, seinen Stärken und Grenzen sowie mit seinen Entwicklungsmöglichkeiten und Potenzialen. Ich erforsche die Lebensthemen und Lebensaufgaben des Menschen wie auch seinen Beitrag für die Gesellschaft, seine Generativität. Demenz untersuche ich aus biographischer und kultureller Perspektive. Mein zweites, daran anschließendes Forschungsgebiet ist die ethische Entwicklung des Menschen.

Was genau machen Sie da?

Ich führe Gespräche mit sehr alten Menschen und mit demenzkranken Menschen. Wenn man die Bedeutung ihres Lebens erschließen kann (das ist möglich), kann man Begleiter und Ehrenamtliche darin schulen, sie zu fördern. Die seelisch-geistige Dynamik des alternden Menschen erforsche ich im Rückgriff auf philosphische und teilweise religiöse Phänomene. Damit einher geht die ethische Entwicklung des Menschen, die mit Hilfe von Dilemmata-Studien untersucht wird.

Wir werden länger leben, wir werden insgesamt weniger und zugleich wird unsere Gesellschaft vielfältiger. Was ist das Bemerkenswerteste aus Ihrer Sicht am demografischen Wandel?

Der demografische Wandel bringt erst richtig die Potenziale des Menschseins ans Licht.  Diese werden sozusagen durch das lange Leben beschleunigt nachweisbar. Soziale Beziehungen können intensiver gelebt werden, auch wenn sie manchmal verdrechselt sind. Der Umgang mit Lebensaufgaben und Lebenskrisen steigert in der Regel die Sensibilität der Menschen füreinander. Wir erkennen bei vielen der Ältesten eine Lebensweisheit und eine realistische Sicht auf die Welt, die ihresesgleichen sucht. Die Bereitschaft, sich generativ zu verhalten und in der Bürgergesellschaft zu engagieren, ist enorm – wenn es sich um Aufgaben handelt, für die es sich lohnt, tätig zu sein. Das Alter kann sogar, wie es der Begründer der psychologischen Gerontologie, Stanley Hall, ausdrückte, die schönste und erfreulichste Phase des Lebens werden.

Welche Chancen bringt der demografische Wandel Ihrer Meinung nach mit sich?

Auf einer individuellen Ebene bieten sich dem Menschen mit seinen Lebensthemen neue Entwicklungsmöglichkeiten. Plastizität und Meisterung können neue Dimensionen annehmen. Das Leben wird als bereichernd angenommen und bis ins hohe Alter gibt es für uns Möglichkeiten, auch etwas völlig Neues zu beginnen.

Auf einer kollektiven Ebene wird es, wenn sich die sorgenden Gemeinschaften entfalten können, wie es der 7. Altenbericht vorsieht, zu neuen Verantwortungshaltungen und sympathetischen Verhaltensweisen kommen. Hier können auch von einem „neuen alternden Europa“ aus wichtige friedliche Impulse in die Welt von morgen ausgehen.

Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf die Lebensqualität älterer Menschen? Wie kann mit den Herausforderungen umgegangen werden?

Lebensqualität ist ein vielseitiger Begriff. Doch ist diese, wie wir wissen, im Wesentlichen durch das Sozioemotionale bedingt. Soziale Netzwerke und die darin uns vertrauten Personen haben zentrale Bedeutung für Lebensqualität im hohen Alter. Wenn es den Älteren und der Gesellschaft gelingt, Einsamkeit zu verhindern, soziale Begegnungen im Quartier zu fördern und auch sich gegenseitig in der Entwicklung, Selbst- und Mitverantwortung zu unterstützen, werden wir ein beträchtliches Maß an Lebensqualität für jeden Einzelnen erreichen.