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Freiheit heute
Das Freiheitserlebnis der Jugend in unruhigen Zeiten – Ermutigung oder Verunsicherung?

Ein Beitrag von Matthias von Kielmansegg zu den Ergebnissen der aktuellen Jugendstudie

Wie erleben junge Menschen Freiheit in Deutschland? Die aktuelle Jugendstudie der Vodafone Stiftung geht dieser Frage nach. Einige Ergebnisse stimmen optimistisch. Was aber die Zukunftserwartungen junger Menschen angeht, wäre mehr Zuversicht wünschenswert.

Die Jugendstudie der Vodafone Stiftung

Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz. Wir feiern in Westdeutschland 75 Jahre und in Ostdeutschland nun auch schon 34 Jahre, in denen wir erlebt haben, was ein Leben in Freiheit bedeutet – und auch, was es uns abverlangt. „Es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis“ – so formulierte es einst der französische Schriftsteller und Religionskritiker Albert Camus. Seine Worte unterstreichen, dass es eines stetigen Aushandlungsprozesses bedarf und Freiheit kein selbstverständliches Gut ist.

Die Vodafone Stiftung fragt in ihrer diesjährigen Jugendstudie, wie die junge Generation Freiheit konkret erlebt. Die Ergebnisse stimmen mich positiv und nachdenklich zugleich. Eine große Mehrheit der Jugendlichen nimmt ihre Freiheit bewusst als einen wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaftsordnung wahr. Und die meisten glauben auch daran, dass ihr Engagement etwas verändern kann. Das ist eine gute Botschaft.

Zugleich erleben viele die Gesprächsräume in den Sozialen Medien als unberechenbar, ständig schwankend zwischen Spaß, Spott und unversöhnlicher Aggressivität. Freunde und Familien sind glücklicherweise weiterhin Schutzräume. Die Schulen sind allerdings nur teilweise Orte, an denen eingeübt wird, wie man respektvoll Meinungsverschiedenheiten austrägt. 80 Prozent der jungen Menschen sorgen sich, dass ihre Freiheit in den nächsten Jahren abnehmen könnte. Andere jüngst veröffentlichte Studien betonen eine Zunahme der Unzufriedenheit, Verunsicherung und Erschöpfung unter den Jugendlichen.

Warum erwächst aus dem Gefühl des Aufwachsens in einer freien Gesellschaft und dem Erleben von persönlicher Selbstwirksamkeit dennoch keine stabile Zuversicht? Die produktive Kraft der Freiheit für unser Gemeinwesen scheint zu schwinden. Ist die konkret erlebte Freiheit für die Jugend zu anstrengend geworden, um sich ihrer mentalen und emotionalen Ressourcen für das Bestehen in einer ungewissen Zukunft ausreichend sicher zu sein? Ich denke, das ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit: Wieder mehr und ganz praktisch erfahrbar zu machen, dass Freiheit nicht bequem, aber ungemein beflügelnd sein kann. Dass das Wagnis der Freiheit mit dem Vertrauen in die eigenen Kräfte in einer Welt des steten Wandels belohnt wird.

Beginnen sollten wir damit, gesellschaftliche Herausforderungen weniger als Defizitdebatte zu führen, bei der wir ständig nur nach Schwächen suchen, die die eine oder andere Gruppe auszeichnen könnten. Mein Bild vom Menschen geht davon aus, dass jede und jeder Fähigkeiten und Stärken hat, dazu manchmal Unterstützung braucht, aber fast immer mehr kann, als sie oder er selbst sich zunächst zutraut. Fragen wir also zuerst, wo unsere Stärken liegen, wie wir unseren Einfallsreichtum nutzen können, wie die kleinen und großen Gemeinschaften aussehen müssen – damit alle einen Beitrag leisten können, damit jede und jeder spürt, dass sie oder er gebraucht wird. Dann kann unser freiheitliches Gemeinwesen auch wieder mehr Zuversicht ausstrahlen, dass uns trotz der unruhigen Zeiten nicht bange werden muss.      

Die Ergebnisse der Studie finden Sie hier:

Zur Jugendstudie

Matthias von Kielmansegg

Matthias von Kielmansegg

Matthias Graf von Kielmansegg leitete acht Jahre die Abteilung Grundsatzfragen und Strategien im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Von 2005 bis 2014 führte er im Bundeskanzleramt zunächst den Stab für Politische Planung, Grundsatzfragen und Sonderaufgaben, später als Gruppenleiter unter anderen die Bereiche Familien, Senioren, Frauen, Jugend, Bildung und Forschung. Er ist Kurator der Hoffbauer-Stiftung, des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und der Stiftung Humboldt Universität. Der studierte Rechtswissenschaftler ist verheiratet und hat drei Kinder.

Aufgabenfelder/Forschungsfeld: Geschäftsführer

Matthias von Kielmansegg

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit.​