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Freiheit heute
Freiheit und Erinnerung

Erinnerung ist umkämpft, denn sie bestimmt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Durch Erinnerung handeln wir aus, wie wir Freiheit verstehen und welche Freiheiten wir anderen zugestehen.

 

Umkämpfte Erinnerung

„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“: Mit diesem Satz prägte Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 den Tag der Befreiung. Zur Bedeutung dieses Datums gibt es unterschiedliche Ansichten: Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano etwa forderte, den 8. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen. Der AfD-Vorsitzende Gauland sprach sich dagegen aus. Für ihn stellt sich der 8. Mai als Tag der absoluten Niederlage dar.

Ein Beispiel von vielen, das zeigt: Erinnerung ist umkämpft. Für Ralph Giordano ein essenzieller Kampf für die Freiheit – oder genauer: Für die Befreiung von jener Last des Schweigens, die der Publizist als „zweite Schuld“ der Deutschen bezeichnete. Die erste Schuld sei eine historische, die in der Täterschaft und Verstrickung der Deutschen in dieser bestehe. Die zweite Schuld sei eine gegenwärtige, nämlich das Beschweigen der Vergangenheit.

 

Umkämpfte Freiheit

Doch was bedeutet Erinnerung konkret für die Freiheit? Als Esther Bejarano einen Feiertag für den 8. Mai einforderte, meinte sie eine andere Freiheit als jene, die Weizsäcker oder gar Gauland im Sinn hatten. Bejarano ging es um die Freiheit, zu stören. Sie wollte den 8. Mai zu einem Tag machen, an dem einer Vergangenheit gedacht wird, über die andere lieber Gras wachsen lassen wollen.

Doch Erinnerung kann auch die Freiheit bedeuten, in Ruhe gelassen zu werden. Erinnerung ist dabei konstitutiv und nicht destruktiv, eingebettet und nicht störend, institutionalisiert und nicht disruptiv. Solche Erinnerung in geregelten Bahnen ermöglicht der Generation der „Spätgeborenen“, mit der Vergangenheit abzuschließen und „nach vorne“ zu schauen – eine „Erlösung“ in Weizsäckers Sinne.

Umkämpfte Gegenwart und Zukunft

Seit einigen Jahren fordern verschiedene Akteurinnen und Akteure die deutsche Erinnerungskultur heraus. „Erinnern stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive“ lautet einer der vielen Störungsversuche. Aus entgegengesetzter Richtung versuchen Neurechte, die Grenzen nach rechts zu verschieben.

Erinnerung und Freiheit hängen unweigerlich zusammen. Denn Erinnerung lässt sich nicht von unseren Vorstellungen trennen, wie wir leben wollen – davon, wie wir uns Freiheit vorstellen und welche Freiheiten wir anderen zugestehen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kommen im Modus der Erinnerung zusammen.

Erinnerung so zugänglich wie möglich zu gestalten, ist daher eine maßgebliche Aufgabe historisch-politischer Bildung. Es bedeutet, Teilhabe zu ermöglichen bei der Aushandlung zentraler gesellschaftlicher Fragen. Das Förderprojekt „Ein Platz des Gedenkens beim FC St. Pauli – Erinnern gemeinsam gestalten“ des Jugendbildungsprojekt Bildung am Millerntor (BAM!) entwickelt dazu Workshops zum Thema Erinnerung.