Konzentration auf die letzte Meile zum Patienten

Röntgenbild von Hüftgelenk-Implantat

Bringt das neue, teure Medikament im Alltagseinsatz einen realen Zusatznutzen? Wissen Ärzte über die Leitlinien zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung Bescheid – und richten sie sich danach? Ist es bei einer seltenen Krankheit sinnvoller, mit Blick auf die Bevölkerung insgesamt, auf Vorsorge zu setzen oder auf Therapie? Fragen wie diese sind es, die die Versorgungsforschung wissenschaftlich untersucht.

Im Wissenschaftsjahr Gesundheitsforschung soll das Augenmerk speziell auch auf diese Fragen gerichtet werden, denn schließlich geht es um alle Facetten der Gesundheitsforschung. Während die biochemische Grundlagenforschung langfristig neue Diagnose- und Therapieansätze erschließt und die klinische Forschung neue Behandlungen unter kontrollierten Bedingungen erprobt, konzentriert sich die Versorgungsforschung auf die Umsetzung im medizinischen Alltag, die „letzte Meile“ zum Patienten. Sie fragt, welcher Nutzen schlussendlich bei den Menschen ankommt.

Bei dieser harmlos klingenden Frage spielen viele Faktoren eine Rolle, die bei Grundlagen- und klinischer Forschung ausgeblendet bleiben: Halten sich Patienten an den jeweiligen Therapie- oder Vorsorgeplan? Warum kommen manche neue Erkenntnisse schnell im Praxisalltag an, andere nicht? Welche Reibungsverluste entstehen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern wie Kliniken, Reha-Einrichtungen, Arztpraxen, Pflegediensten etc.? Wie wirken sich die Arbeitsbedingungen der Ärzte auf die Versorgung aus? Und wie die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen?

Versorgungsforschung beinhaltet also weit mehr als rein medizinische Zusammenhänge. Ebenso wichtig sind die vielfältigen Mechanismen des Systems, in das alle Beteiligten eingebunden sind. Zudem spielt die Psychologie eine große Rolle. Versorgungsforschung ist an der Schnittstelle ganz unterschiedlicher Disziplinen angesiedelt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind oft keine Ärztinnen und Ärzte, sondern haben etwa Psychologie, Pharmazie, Gesellschafts- oder Pflegewissenschaften studiert.

Die Herausforderungen der Versorgungsforschung sind komplex, ihre Studien oft langwierig – doch der Aufwand lohnt sich. Mehr als andere Bereiche der Gesundheitsforschung zielt die Versorgungsforschung darauf ab, den effektiven Nutzen im Gesundheitssystem zu maximieren. Der Bremer Versorgungsforscher Gerd Glaeske spricht deshalb von einer „Gegenöffentlichkeit“ (siehe Interview), die den anderen Interessensgruppen im Gesundheitssystem eine Lobby zum Wohle des Patienten entgegensetzt.

Seit einigen Jahren fließen zunehmend Mittel in die Versorgungsforschung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2010 54 Millionen Euro ausgeschrieben für entsprechende Projekte. Andere Organisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Bundesärztekammer fördern ebenfalls zunehmend Versorgungsforschungsprojekte. Eine Investition in die Zukunft: Versorgungsforschung deckt nicht nur unzureichende, sondern auch unnötige, zu teure oder fehlgeleitete Versorgung auf. Das hilft, Kosten zu sparen und die vorhandenen Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

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Weitere Informationen unter:

BMBF: Handlungsfeld Versorgungsforschung

BMBF: Forschung zum Gesundheitswesen

BMBF: Gesundheitsforschung in Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft