Smartphone und Lotse für Saarbrücker Senioren
Tarifdschungel, kryptische Fahrpläne, schwer bedienbare Kartenautomaten – ältere Menschen finden sich im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) häufig schwer zurecht. Mithilfe moderner Kommunikationstechnik will das Forschungsprojekt MOBIA sie dazu ermutigen, weiterhin mobil zu bleiben.
„Mobil bis ins Alter“ – diesen Anspruch versucht das
gleichnamige Forschungsprojekt, kurz MOBIA, seit zwei Jahren in Saarbrücken in die Realität umzusetzen.
Per Smartphone-App können sogenannte Mobilitätslotsen an Haltestellen angefordert
werden. Diese helfen dann älteren oder gehbehinderten Personen beim Ein-, Aus- und Umsteigen
in Bussen und Bahnen. Zudem geben sie Auskunft über die Tarife und das Liniennetz oder
helfen bei der Bedienung der Fahrkartenautomaten. „Vor dem Hintergrund des
demografischen Wandels und dem Wunsch älterer Menschen nach gesellschaftlicher Teilhabe
wollen wir die Nutzung des ÖPNV erleichtern und die Mobilität fördern“, sagt Manfred
Backes von der Saarbahn GmbH, der zugleich Sprecher und Projektkoordinator von MOBIA
ist.
Mit ein paar Klicks sicher ans Ziel
Den Lotsen-Dienst kann sich ein Fahrgast mit ein paar Klicks auf der MOBIA-App seines
Smartphones sichern. Sobald ein Lotse angefordert wird, steht er über die App in ständigem
Kontakt mit dem Nutzer. An der Start-Haltestelle trifft er den Fahrgast und hilft ihm
beim Einsteigen. Mehr noch: Auf der App kann während der gesamten Fahrt überprüft
werden, wo umgestiegen werden muss und welcher Lotse dabei behilflich sein wird. Beim Ausstieg
steht so der nächste Lotse bereit, um beim Umsteigen zu helfen. Am Ziel angelangt,
wird die Fahrt auf der App beendet – der Begleiter kann sich nun dem nächsten Fahrgast
zuwenden. Derzeit sind 15 Mobilitätslotsen wochentags von 9 bis 14 Uhr an viel
frequentierten Haltestellen in der Saarbrücker Innenstadt unterwegs. Angestellt sind
sie beim Zentrum für Bildung und Beruf Saar gGmbH (ZBB), einem der Projektpartner
von MOBIA. Ziel ist es, nicht nur Älteren zu helfen, sondern auch Arbeitslosen neue
Berufsperspektiven aufzuzeigen: „Menschen sollen durch den Job als Lotse noch
einmal in den Arbeitsmarkt gelangen. Wir wollen ganz klar auch Geringqualifizierten
eine Chance bieten, nach Ablauf des Projekts ein reguläres Arbeitsverhältnis zu erhalten“,
sagt Backes.
Smartphone-Nutzung ausbaufähig
Gestartet im November 2011, tritt das BMBF-geförderte Projekt im Herbst 2013 in eine
neue Phase ein. In einem Feldversuch mit 50 Probanden sollen nochmals alle Abläufe getestet
werden, um anschließend Software und Lotsen-Einsatz anzupassen. Zudem wird es spezielle
Schulungen geben, in denen die Probanden vor allem mit der Funktionsweise der App
vertraut gemacht werden. „Noch stehen wir vor der Herausforderung, dass Smartphones in
der Altersgruppe 65plus eher gering verbreitet sind“, sagt Manfred Backes.
Für
Menschen ohne Smartphone wurde deswegen eine Telefonnummer eingerichtet, mit der die
Lotsen auch von zuhause aus per analogem Festnetztelefon bestellt weden können.
Der MOBIA-Projektkoordinator ist jedoch optimistisch: „Für die Generation der heute
60-Jährigen wird es in fünf bis zehn Jahren schon vielfach selbstverständlich sein,
mit diesen Techniken umzugehen.“
Mehr Mobilität und neue Beschäftigungsperspektiven
Neben der Saarbahn, die für die praktische Umsetzung, die Koordination sowie für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist, gibt es vier Projektpartner. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken ist für das technische Fahrgastsystem zuständig, die Lotsen-App wurde von der B2M Software AG aus Karlsruhe entwickelt. Beim Zentrum für Bildung und Beruf Saar gGmbH (ZBB) durchlaufen die Mobilitätslotsen einen Teil ihrer Ausbildung, das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. Saarbrücken (iso) begleitet das Projekt wissenschaftlich und empirisch.