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Feldforschung im ehemaligen Bundestag (II)

Das Parlament der Generationen aus wissenschaftlicher Sicht

Im Vorfeld haben wir die vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die das Parlament der Generationen vor Ort begleitet haben, nach ihren Erwartungen befragt. 

Plenarsaal im ehemaligen Bundestag in Bonn
©WorldCCBonn

Dipl.-Ing. Andrea Dittrich-Wesbuer, Schwerpunkt „Schrumpfende Regionen“

Portraitbild von Andrea Dittrich-Wesbuer

Vom Parlament der Generationen erhoffe ich mir, dass die Teilnehmer wirklich differenziert über die Auswirkungen des demografischen Wandels diskutieren. Dafür muss ihnen bewusst sein, wie sich die Bevölkerungsentwicklung auf konkrete räumliche Situationen und auf ihr Lebensumfeld auswirkt.

Bei meinem Thema "Schrumpfende Regionen" liegt der Kern der Überlegungen darin, ob unsere Daseinsvorsorge und die Standards, die wir heute genießen, unter dem Bevölkerungsrückgang noch aufrecht erhalten werden können, und wo die Prioritäten gesetzt werden sollen.

Interessant wäre es natürlich, wenn die Diskussionen der beiden Gruppen - 2013 und 2050 - sehr unterschiedlich verlaufen und enden würden. Allerdings bin ich diesbezüglich ein wenig vorsichtig. Ich erlebe viele Diskussionen und habe den Eindruck, dass es immer gewisse Personen gibt, die eine Debatte mit ihren Argumenten dominieren. Daher vermute ich, dass die Ergebnisse eher von den teilnehmenden Persönlichkeiten als vom Altersdurchschnitt abhängen. Im Endeffekt ist es mir aber am wichtigsten, dass die Teilnehmer aus der Veranstaltung herausgehen und denken: Ja, es war wirklich interessant, darüber nachzudenken und sich damit auseinander zu setzen, wie schwierig es ist, unter den Bedingungen des demografischen Wandels Politik zu betreiben. Für mich wäre diese Erkenntnis ein großer Erfolg.

Dr. Michela Coppola, Schwerpunkt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“

Portraitbild von Michela Coppola

Ich habe zweierlei Ansprüche an das Parlament der Generationen: Als Forscherin erwarte ich, mehr über den Prozess der Entscheidungsfindung und über die Akzeptanz von Reformen zu lernen. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoffe ich, dass ihnen das Experiment dabei helfen wird, die Komplexität der Themen sowie die Schwierigkeit der Entscheidungsfindung besser zu verstehen.

Während des Experiments werde ich die Teilnehmer mit Informationen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf versorgen. Zu welchen Ergebnissen die Teilnehmer des Parlaments der Generationen bei diesem Thema kommen, steht völlig offen. Ich stelle daran auch keine Erwartungen. Jedes Ergebnis ist auf seine Art gerecht, solange folgende Elemente bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden: Welches Ziel soll erreicht werden? Wie wird es erreicht? Was kostet es?

Allerdings vermute ich, dass sich die Art der Entscheidungsfindung zwischen den beiden Szenarien unterscheiden wird. 2050 werden dem Arbeitsmarkt aufgrund des Bevölkerungsrückgangs weniger Menschen zur Verfügung stehen. Also wird sich die zuständige Gruppe im Experiment wohl darauf konzentrieren, vorhandene Arbeitskräfte besser zu integrieren, etwa durch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dr. Harald Wilkoszewski, Schwerpunkt „Bildung“

Portraitbild von Harald Wilkoszewski
Foto: P. Scheller

Der Schwerpunkt Bildung, zu dem ich die Teilnehmer berate, ist ein Schlüsselthema, wenn es um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen des demografischen Wandels geht. Künftig müssen weniger Menschen mehr erwirtschaften, um den gesellschaftlichen Wohlstand für alle zu erhalten. Daher gilt es, erfolgreiche Bildungslaufbahnen für möglichst viele Menschen zu fördern. Nicht alle Bevölkerungsgruppen werden dieselbe Unterstützung erfahren können, da das Geld knapp ist. Die Teilnehmer des Experiments werden sich deshalb mit der Frage beschäftigen müssen, wer besondere Förderung erhalten soll: Kinder oder Ältere?

Interessant ist, ob sich die Lösungen der beiden Versuchsgruppen - 2013 und 2050 - unterscheiden werden. In meinen eigenen Forschungsarbeiten konnte ich klare Tendenzen erkennen, dass sich soziale Gruppen wie Jung und Alt in ihren Erwartungen darüber, welche Finanzierungen der Staat und das Gemeinwesen leisten sollen, durchaus unterscheiden. Ich könnte mir vorstellen, dass das Parlament der Generationen dieses Ergebnis untermauern wird.

Der Prozess der Entscheidungsfindung wird in der vorausgesagten Alterszusammensetzung der Bevölkerung 2050 meiner Ansicht nach schleppender vorangehen. Am Ende wird sich zeigen, welche Generation die größeren Zugeständnisse macht: Werden die älteren Abgeordneten bereit sein, für eine stärkere Förderung der jüngeren Generation zu stimmen? Sind die jüngeren Abgeordneten vielleicht stärker auf Konsens gepolt, als man es erwarten könnte und gehen deshalb einem Konflikt eher aus dem Weg? Am 18. November wissen wir mehr.

Prof. Dr. Clemens Tesch-Römer, Schwerpunkt „Miteinander der Generationen“

Portraitbild von Clemens Tesch-Römer

Das Parlament der Generationen zeichnet sich dadurch aus, dass zwei Parteien mit unterschiedlicher Alterszusammensetzung dieselben Fragen diskutieren. Da frage ich mich: Werden die Altersgruppen gesellschaftliche Fragen unterschiedlich angehen und unterschiedliche Lösungen verfolgen? Wird es "altersegoistische" Entscheidungen geben? Meiner Einschätzung nach werden sich die Ergebnisse der Gruppen am Ende nicht allzu sehr unterscheiden. Die Älteren werden nicht allein die Interessen der Alten beachten, die Jüngeren nicht allein die Interessen der Jungen.

Interessant wird auch, wie die Entscheidungsfindung abläuft, die ich bei beiden Gruppen begleiten und evaluieren werde. Sollten die Gruppen die Altersstereotype ideal erfüllen, dann wäre bei der älteren Gruppe eine höheres Maß an Festhalten am Bestehenden zu erwarten, also etwas mehr Konservativität. Allerdings bin ich mir auch nicht sicher, ob es dadurch große Abweichungen zwischen den Gruppen geben wird. Denn in der Regel sind politische Überzeugungen lebenslang stabil. Dies würde bedeuten, dass es eher diese Überzeugungen sind als Altersunterschiede, die das Vorgehen der Gruppen charakterisieren werden.

Ich freue mich aber auf jeden Fall auf das Experiment und lasse mich gerne von den Ergebnissen überraschen.