Erlebnis Weltraum:
Gestaltung einer
imaginären Reise
ins Universum

ein Gastbeitrag von Prof. Claudia Rohrmoser

Noch können wir nicht so ohne weiteres ins Universum reisen. Die Faszination einer Weltraumfahrt regt jedoch unsere Fantasie an - was wäre, wenn wir unser Bewusstsein auf die Reise schicken könnten?

Mit dieser Frage beschäftigten sich Studierende der Studienrichtung Digital Media and Experiment am Fachbereich Gestaltung der Hochschule Bielefeld. In einem Seminar zum Thema medial erweiterter Räume entwickelten sie zusammen mit Astrophysikerinnen und Astrophysikern der Universität und einem Team der Wissenswerkstadt Bielefeld audiovisuelle Ideen für das Projekt ‚COSMOmission‘, einem Escape Game in einem fiktiven Raumschiff auf der Reise ins Sternensystem Alpha Centauri.

Dank der Wissenschaft sind uns Grafiken, Bilder, Videos und Simulationen von den tatsächlichen Vorgängen und Bedingungen im All bekannt. In ihrer erhabenen Schönheit geben sie uns zwar eine Idee davon, was sich im Universum befindet, dennoch  bleiben die Eindrücke fragmentarisch und abstrakt. Für die Studierenden der HSBI war es eine gestalterische Herausforderung, einerseits wissenschaftlich korrekt, aber dennoch unmittelbar und emotional verständlich zu machen was die Daten und Bilder aus dem Weltraum im Verhältnis zu unserer Lebenswelt bedeuten. Ziel des Entwurfsprozesses war es, Bekanntes in einer neuen Relativität erlebbar zu machen und Staunen beim Betrachter auszulösen.

Grundlage für die technische Umsetzung der interaktiven Medieninstallation sind ein nachgebautes Cockpit mit Originalinstrumenten aus einem Flugzeug, eine große Doppelprojektion, dynamischem Licht, Sounddesign und interaktiven Displays mit einem animierten Bordcomputer. Bis zu fünf Personen können in dem medial erweiterten Raum auf die Weltraummission geschickt werden. Nach dem Start durchquert das Raumschiff das Sonnensystem. Anders als in Science-Fiction-Kinoerlebnissen wird im kleinen Cockpit das Maß der bewegten Bilder mit den Dimensionen des eigenen Körpers verglichen und erzeugt eine Illusion von Eigenbewegung. Im Sog der großformatigen Videoanimation, gerendert mit Originaltexturen der NASA, scheint man tatsächlich nah an riesigen Planeten vorbei zu gleiten - bis eine Kollision mit einem Asteroiden die Systeme lahmlegt. Mit dieser plötzlichen Wendung wirkt das Filmbild in den Raum hinein; es geht über die tatsächlichen Rahmen der Projektion hinaus und tritt in Verbindung mit den realen dreidimensionalen Elementen im Cockpit. Lichteffekte, akustische Alarmsignale und Bordcomputer warnen vor der drohenden Gefahr. Schließlich werden die Besucherinnen und Besucher aufgefordert, gemeinsam die Mission zu retten und es beginnt ein kniffliges Escape Game.

Die dramaturgische Entwicklung trägt dazu bei, dass alle medialen Elemente in der Inszenierung zusammenwirken. Neben der Videoprojektion ist der Ton ein zentrales Gestaltungsmittel, um die sogenannte Immersion zu verstärken. Dieses vollkommene sinnliche Eintauchen in die Geschichte gelingt mit Soundeffekten, die direkt aus der Kulisse zu kommen scheinen und einem subtil gestalteten Grundton, der unbewußt eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit erzeugt. Dazu kommen Datenvisualisierungen auf interaktiven Displays, die in Kombination mit realen Objekten aus einem Überlebensrucksack dabei helfen, der Lösung auf die Spur zu kommen. Diese Form der interaktiven Medieninstallation läßt die Grenzen zwischen Betrachten und Performen, zwischen Physischem und Digitalem verwischen. Mit Spiel, aktiver Beteiligung und Neugierde wird das menschliche Bedürfnis nach einer Begegnung mit dem belebten Fremden gestillt. Womöglich ließe sich am Zielplaneten sogar Leben entdecken?

 

Zum Ende sei aber nicht zu viel verraten. Die erd- und menschenzentrierte Perspektive zu verlassen bedeutet schließlich auch, einen individuellen und distanzierten Blick auf unsere Existenz und unsere Wahrnehmungskapazitäten zu werfen. Für die Gestalterinnen und Gestalter war nicht zuletzt eine wichtige Erkenntnis, dass es manchmal interessanter ist, nicht alles zu zeigen, damit die Besucherinnen und Besucher auch ihre eigenen Bilder entwickeln können.

Claudia Rohrmoser

…leitet die Studienrichtung Digital Media and Experiment am Fachbereich Gestaltung der Hochschule Bielefeld. Sie beschäftigt sich mit der Wirkkraft von Medien im Raum und arbeitet in transdisziplinären Kontexten zwischen Videokunst, Musiktheater, Performance und Expanded Animation.

Claudia Rohrmoser

Weitere Infos

Hier finden Sie die Arbeit von Prof. Claudia Rohrmoser für das Theater Bielefeld

Weitere Videos zum Studiengang Gestaltung, Digital Media and Experiment finden Sie auf der Webseite.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2023 – Unser Universum.​