Ausschnitt einer Galaxie.

Wie lange können wir noch die Sterne sehen?

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Michael Kramer

Die Astronomie ist eine der ältesten Wissenschaften. Warum, versteht man, wenn man nachts in den Sternenhimmel schaut. Viele Fragen schießen einen in den Kopf: Was sind Sterne? Wie viele gibt es davon? Gibt es andere Planeten? Gibt es dort Leben? Wie groß ist das Universum und wie hat es angefangen? Dann begreift man vielleicht auch, dass die Erde nur ein sehr winziger Ort in den unendlichen Weiten des Weltalls ist – und wie zerbrechlich unser Heimatplanet.

Stellen Sie sich nun vor, dass wir nach hunderttausenden Jahren Menschheitsgeschichte vielleicht die letzte Generation sind, die eine solche Erfahrung machen kann - wenn nämlich demnächst der Sternenhimmel von so vielen künstlichen Lichtern überstrahlt wird, dass man keine Sterne mehr sieht. Bisher konnte man sich in entfernte Orte flüchten, weitab der Zivilisation, wo man den Sternenhimmel noch in seiner grandiosen Schönheit sehen kann. Wenn aber die momentan besorgniserregende Entwicklung anhält, werden wir in absehbarer Zukunft hunderttausende Satelliten in sogenannten Megakonstellation über unseren Köpfen haben. Dann reflektieren diese so viel Sonnenlicht, dass Beobachtungen mit menschlichem Auge oder aber gerade mit empfindlichen Teleskopen schwierig bis unmöglich werden.

Gründe für die Lichtverschmutzung

Die Störungen am Firmament sind nicht nur auf die optische Beobachtung beschränkt. Die Vielzahl an Satelliten erzeugt durch ihre Elektronik auch einen „Smog“ an Radiolicht, der unsere empfindlichen Radioteleskope stört. Und dann sind dann da natürlich noch die Radiosignale zur Kommunikation selbst, die unsere Teleskope regelrecht erblinden lassen.

Es werden Gründe genannt, warum solche Satelliten nützlich sind, aber es gibt Alternativen. Insbesondere gibt es aber bisher keine international verbindlichen Regeln zu Megakonstellation, welche solche Formationen regulieren oder koordinieren. Und was ist der Preis? Abgesehen davon, dass Raumfahrt immer risikoreicher wird, weil eventuelle Kollisionen zwischen Satelliten die Umlaufbahnen mit gefährlichen Kleinstteilen füllen, wird auch unser Blick ins Weltall sprichwörtlich getrübt.

Gefahren der Lichtverschmutzung

Reflektionen von Sonnenlicht (insbesondere an Solarpanelen) können helle Streifen in optischen Aufnahmen erzeugen. So wird es vielleicht nicht mehr möglich sein, „Killerasteroiden“ rechtzeitig zu erkennen, um eine Vernichtung der Menschheit zu verhindern. Oder wir würden dann vielleicht nicht rausfinden, ob es Leben außerhalb des Sonnensystems gibt. Vielleicht werden wir nie verstehen, was die mysteriöse Dunkle Energie oder die Dunkle Materie sind. Wir sind so nahe, diese Fragen zu beantworten, aber nun im Begriff, uns der Möglichkeit zu berauben. Es erscheint nahezu ironisch, dass wenn Radioastronomie nicht mehr möglich sein wird, die Astronomie somit auch nicht mehr die genauen Erdrotationseigenschaften bestimmen kann, welche wiederum für den Betrieb vieler Satelliten notwendig sind. Wir alle werden dann in einer Zeit leben, wo die Betrachtung des Himmels, der Sterne, eine Geschichte der Vergangenheit ist, von der wir unseren Enkeln nur noch erzählen können. Ich hoffe, dazu kommt es nicht.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2023 – Unser Universum.​

Weitere Infos

Hier finden Sie eine Stellungnahme der Astronomischen Gesellschaft zur Zunahme von Satelliten am Nachthimmel.

Lesen Sie hier mehr über die Gefahren von "Starlink" für die Erdatmosphäre.

Hier wird die Debatte über Satelliten am Nachthimmel weitergeführt.

Prof. Dr. Michael Kramer

Prof. Dr. Michael Kramer

Prof. Dr. Michael Kramer ist Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und derzeit Präsident der Astronomischen Gesellschaft. Schon seit seiner Promotion in 1995 ist sein Forschungsgebiet die Radioastronomie und hier insbesondere die Beobachtungen von kompakten Objekten wie Neutronensternen und Schwarzen Löchern.

Prof. Dr. Michael Kramer