Wie nah sind wir der zweiten Erde?

ein Gastbeitrag von Susanne Hüttemeister

Die Frage, ob es außerhalb der Erde oder sogar außerhalb des Sonnensystems Leben gibt, gehört wohl zu den spannendsten, die in der Astronomie gestellt werden. In den letzten Jahrzehnten haben wir bei ihrer Beantwortung erstaunliche Fortschritte gemacht. Aber wie nah sind wir bei unserer Suche einem Planeten gekommen, der um einen fernen Stern kreist und der Erde ähnlich ist?

Exoplaneten sind häufig

Im Dezember 2023 waren mehr als 5.500 „Exoplaneten“ bekannt. Das sind Planeten, die einen Stern umrunden, der nicht die Sonne ist. Aus diesen Entdeckungen kann man hochrechnen, dass beinahe jeder Stern in unserer Milchstraße von mindestens einem Planeten begleitet wird. Dabei weisen die gefundenen Planeten eine enorme Vielfalt auf.

Seit 1995 wurden häufig Planeten aufgespürt, deren Größe im Bereich des Jupiters liegt, dem größten Planeten im Sonnensystem. Diese Objekte sind ihrem Stern oft sehr nah, in vielen Fällen mehr als 20-mal näher als die Erde der Sonne. So bekamen sie den Namen „Heiße Jupiter“. Für die erste Entdeckung gab es 2019 sogar den Nobelpreis für Physik.

„Heiße Jupiter“ lassen sich besonders leicht finden. Als Gasriesen mit hohen Temperaturen sind sie aber keine Heimstätten für Leben wie wir es kennen. Dafür kommen eher kleinere Planeten in Frage, in Idealfall sogar solche, die erdgroß sind.

Kleine Planeten finden

Dank neuer Beobachtungsmethoden und Instrumente, sowohl im Weltraum als auch auf der Erde, können wir heute auch Planeten entdecken, die deutlich kleiner als der Jupiter sind. Im Dezember 2023 kennen wir gut 1.400 Planeten von maximal doppelter Erdgröße. Solche Planeten werden „Supererden“ genannt. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie besonders geeignet für die Existenz von Leben sind. Es heißt lediglich, dass ihre Größe auf die Existenz einer festen Oberfläche hindeutet. Interessant ist auch, dass es solche Objekte, die im Kosmos offenbar sehr häufig sind, in unserem Sonnensystem nicht gibt. Uranus und Neptun sind etwa viermal größer als die Erde und haben schon keine feste Oberfläche mehr.

Und wie steht es um noch kleinere Planeten? Tatsächlich sind knapp 200 Objekte von etwa Erd-Durchmesser bekannt. Damit sind sie aber leider noch keine „zweiten Erden“. Denn fast alle von ihnen sind ihrem Stern deutlich näher als der Merkur unserer Sonne.

Bedeutet das, dass es auf ihrer Oberfläche definitiv zu heiß ist, so dass sie keine in unserem Sinn lebensfreundlichen Bedingungen bieten können, die vor allem durch die Existenz von flüssigem Wasser definiert sind? Das muss nicht zwingend so sein, denn die Sterne dieser kleinen Planeten sind oft viel weniger leuchtkräftig als unsere Sonne.

Bewohnbare Welten?

Um potenziell Leben zu beherbergen, muss ein Planet also klein genug sein und zugleich im richtigen Abstand zum Stern, in der sogenannten „habitablen Zone“, liegen. Großzügig gezählt erfüllen diese Kriterien im Moment gut 60 Planeten. Einerseits ist das eine kleine Minderheit der bisherigen Funde. Andererseits sind gerade diese Planeten nach wie vor sehr schwer zu entdecken. Die europäische Weltraummission Plato, deren Start für 2026 geplant ist, soll viele neue solcher Kandidaten für Leben finden.

Dann aber muss man herausfinden, ob solche Welten eine Lufthülle haben, die zum Beispiel Wasser, Kohlendioxid oder sogar Sauerstoff enthält. Auch dies ist eine Aufgabe für die neueste Generation von Teleskopen, etwa dem James Webb Weltraumteleskop oder dem European Extremely Large Telescope, das gerade in den chilenischen Anden errichtet wird.

Die Suche nach der „zweiten Erde“ ist also noch nicht am Ziel, aber mit neuen spannenden Ergebnissen in den nächsten Jahren darf gerechnet werden.  

Susanne Hüttemeister

Susanne Hüttemeister ist Leiterin des Planetarium Bochum und apl. Professorin für Astronomie an der Ruhr-Universität Bochum. Heute ist sie 60 Jahre alt. Ihre Lieblingsschulfächer waren Physik, Biologie und Geschichte. Zu ihrer Laufbahn sagt sie: "Schon seit meiner Grundschulzeit wusste ich, dass die Astronomie mein Berufsziel ist. Die Kombination mit dem Planetarium, in dem ich meine Begeisterung für den Kosmos mit vielen Menschen teilen darf, ist für mich perfekt."

 

Susanne Hüttemeister

Weitere Infos

Hier gelangen Sie zur Website des Zeiss Planetarium Bochum

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2023 – Unser Universum.​