Grafische Darstellung einer Galaxie

Neutrinos - ein neues Fenster ins Weltall

Ein Beitrag von Prof. Dr. Uli Katz, Erlangen Centre for Astroparticle Physics

Neutrinos sind doch diese Geisterteilchen, oder? Ja, so werden sie manchmal genannt, weil wir nichts von ihnen merken oder sehen, ob wohl es sehr viele davon gibt. Jede und jeder von uns wird jede Sekunde von Milliarden Neutrinos durchdrungen- die meisten von der Sonne- und doch sehen und spüren wir sie nicht. Wie kann das sein? Neutrinos sind elektrisch neutral und reagieren so gut wie gar nicht mit normaler Materie. Sie können die ganze Erde oder auch viel größere Objekte wie z.B. die Sonne durchdringen, ohne mit einem einzigen der Atome darin "zusammenzustoßen".

Neutrinos als astronomische Botenteilchen

Aufgrund dieser Eigenschaft werden sie auf dem Weg zur Erde nicht abgelenkt, d. h. ihre Ankunftsrichtung „zeigt zurück“ auf ihren Ursprung – genau wie bei Licht oder allgemeiner elektromagnetischer Strahlung, mit der klassische Astronomie betrieben wird. Sie erreichen uns, selbst wenn auf ihrem Weg Hindernisse wie Staub- oder Gaswolken lauern. Noch dazu können Neutrinos im Gegensatz zu Licht auch aus dem Inneren kosmischer Objekte entweichen und uns Informationen über die dort ablaufenden Prozesse liefern.

Neutrinos entstehen – anders als Licht – immer, wenn z.B. Atomkerne mit extrem hohen Energien im Spiel sind. Wir wissen, dass es solche höchstenergetischen Atomkerne gibt, da wir sie auf der Erde als „kosmische Strahlung“ beobachten, Was wir nicht wissen, ist, wo und wie sie auf ihre Energien beschleunigt werden, die im Übrigen bis zu millionenfach höher sind als im stärksten Teilchenbeschleuniger der Erde, dem LHC am CERN.

Neutrinonachweis

Neutrinos verraten sich in den seltenen Fällen, in denen sie doch mit einem Atomkern reagieren und dabei andere geladene Teilchen erzeugen, die Licht ausstrahlen. In einem Detektor lässt sich dies beobachten. Wenn wir dieses Licht registrieren, können wir aus dessen präzise vermessenen Ankunftsorten und ‑zeiten auf die Richtung der Sekundärteilchen und damit auch auf die Ankunftsrichtung des Neutrinos schließen. Die Stärke des Lichtsignals gibt darüber hinaus Auskunft über die Energie des Neutrinos. Diese Messgröße ist besonders wichtig, da sie viel über die Prozesse verrät, bei der die Neutrinos entstanden sind. Sie hilft zudem dabei, Neutrinos aus dem Weltall von solchen zu unterscheiden, die in der Erdatmosphäre durch Reaktionen der kosmischen Strahlung erzeugt werden.

Astronomie mit Neutrinos

Damit wir kosmische Neutrinos als „Astronomie-Boten“ nutzen zu können, müssen wir Nachweisvolumina von Kubikkilometer Größe mit höchst empfindlichen Lichtsensoren instrumentieren. Diese Neutrinoteleskope können nicht im Labor aufgebaut werden, sondern nutzen natürliche Vorkommen von Medien, die für das Licht transparent und trotzdem gegen das Sonnenlicht vollständig abgeschirmt sind: Wasser in kilometertiefen Meeren oder Seen und die mächtige Eisschicht am Südpol.

Dort sammelt das IceCube-Neutrinoteleskop seit Jahren Daten und hat der Neutrinoastronomie zum Durchbruch verholfen: Es hat kosmische Neutrinos nachgewiesen und erstmals Quellen solcher Neutrinos gefunden. Im Mittemeer und im Baikal-See in Sibirien entstehen mit KM3NeT und GVD zwei weitere Neutrinoteleskope ähnlicher Größe, aber unterschiedlicher „Blickrichtung“, und die Erweiterung von IceCube zu einen noch viel größeren Observatorium, IceCube-Gen2, ist geplant. Die Zukunft der Neutrinoastronomie hat also gerade erst begonnen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2023 – Unser Universum.​

Weitere Infos

Prof. Dr. Uli Katz

Uli Katz ist Astroteilchenphysiker und Professor am Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zusammen mit seiner Gruppe nutzt er Daten der Neutrinoteleskope IceCube und KM3NeT, um kosmische Neutrinos und auch die Teilchenphysik von Neutrinos zu erforschen.

Prof. Dr. Uli Katz