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Senioren vermitteln Technikwissen an Gleichaltrige

Im Rahmen der BMBF-Initiative "Senioren-Technik-Botschafter" erklären ältere Menschen ihren Altersgenossen, wie moderne Technologien funktionieren.

Zwei Senioren unterhalten sich vor einem Laptop
Quelle: Thinkstock

Einen Alltag ohne Smartphone, iPad und Laptop können sich die meisten Jugendlichen nicht mehr vorstellen. Viele ältere Menschen sind hingegen von der digitalen Welt nahezu ausgeschlossen. Wenn sie sich nicht über den Beruf oder mit Hilfe jüngerer Familienmitglieder Internet-Wissen aneignen können, finden die Senioren keinen Zugang zu modernen Technologien. Die BMBF-Initiative „Senioren-Technik-Botschafter“ möchte diesen Menschen den Einstieg in neue Techniken erleichtern und setzt dabei auf die Hilfe von Gleichaltrigen.

Die Initiative ermutigt Technikinteressierte der Generation 60plus, die schon längst im Netz surfen, per E-Mail und übers Smartphone korrespondieren, ihr Wissen an andere Senioren weiterzugeben. Dabei sind niedrigschwellige und praxisorientierte Ansätze gefragt, die auch hochaltrige Menschen erreichen. 18 Vereine wurden ausgewählt und starteten ihre Arbeit am 01.10.2013. Sie werden vom BMBF für ein Jahr lang mit je ca. 20.000 Euro gefördert. Die Projekte wurden bei der Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) am 15.10.2013 in Bonn vorgestellt.

"Fange nie an aufzuhören und höre nie auf anzufangen!"

Die Vorsitzende der BAGSO und Schirmherrin der Initiative, Frau Prof. Dr. Ursula Lehr, erklärt im Gespräch, wie man ältere Menschen für neue Technologien begeistern kann und warum das Internetsurfen einfacher zu lernen ist als Klavierspielen.

Der Wandel der Altersstruktur stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Welche Chancen sehen Sie dennoch in der demografischen Entwicklung?

Portraitbild von Ursula Lehr

Prof. Dr. Ursula Lehr: Zunächst sehe ich in der Tatsache, dass wir ein längeres Leben führen, eine Chance für jeden Einzelnen. Das Ziel ist natürlich, möglichst gesund und kompetent zu altern. Dafür ist jeder selbst verantwortlich, aber es braucht auch die entsprechenden Umweltbedingungen. Hier ist die Gesellschaft gefordert: Arbeitsbedingungen müssen so angepasst werden, dass Menschen tatsächlich länger im Beruf bleiben können. Dazu gehört die Weiterbildung im Job ebenso wie die betriebliche Gesundheitsfürsorge. Bildung muss von Klein auf ganz groß geschrieben werden, damit der schwindende Nachwuchs optimal gefördert und ausgebildet wird. Und schließlich gilt es, moderne Technologien so einzusetzen, dass auch ältere Menschen mit etwaigen Einschränkungen möglichst lange selbständig leben können. Eine Chance für die Gesellschaft sehe ich dann gegeben, wenn wir den Wandel in diesem Sinne gestalten.

Wie ist es momentan um die Techniknutzung von Senioren bestellt?

Prof. Dr. Ursula Lehr: Viele ältere Menschen kommen in ihrem Alltag kaum mit modernen Technologien in Berührung. Das erschwert natürlich den Zugang. Allerdings gibt es auch in der Gruppe 70plus erhebliche Unterschiede im Medienverhalten: Untersuchungen zeigen, dass vor allem Frauen und Menschen mit geringer schulischer und beruflicher Bildung wenig neue Technologien nutzen, häufig nicht einmal das Internet. Diese älteren Verbraucher wissen oft gar nicht, welche Möglichkeiten ihnen beispielsweise Informationstechnologien bieten können. Das muss besser kommuniziert werden. Gleichzeitig sind aber auch die Produktgestalter gefordert, Geräte so alters- und alltagsgerecht zu designen, dass sie von Senioren trotz möglicher Einschränkungen sinnvoll genutzt werden können.

Welche Idee steckt hinter den Senioren-Technik-Botschaftern, welches Ziel verfolgt die Initiative?

Prof. Dr. Ursula Lehr: Die Idee der Technik-Botschafter besteht darin, dass Senioren anderen Senioren zeigen, wie man moderne Technologien nutzen kann. Dahinter steckt die Annahme, dass ältere Menschen häufig mehr Zeit und Geduld haben, ihren Altersgenossen etwas Neues beizubringen, und sicherlich auch eine ähnliche Sprache und Form der Wissensvermittlung wählen. Aus wissenschaftlicher Sicht stehen wir vor der Aufgabe, die Barrieren älterer Menschen in Bezug auf neue Technologien zu ergründen – wobei das Ergebnis sehr stark von der Persönlichkeit, der individuellen Lebenssituation und den bisherigen Erfahrungen abhängen wird – und diese Barrieren auszuräumen. Sicher kann man die Motivation und das Interesse stärken, indem man zeigt, was sich mit Technik anfangen lässt und wozu diese gut ist. Hier können die Senioren-Technik-Botschafter einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Initiative "Senioren-Technik-Botschafter" wird vom BMBF gefördert. Welche Technologiebereiche sind vertreten?

Prof. Dr. Ursula Lehr: Die Konzepte stammen aus den Bereichen Internet, mobile Endgeräte, Unterhaltungselektronik sowie Assistenzsysteme für Wohnen, Pflege und Gesundheit. Beim Internet geht es vor allem um Kommunikation bis hin zum Skypen, die Unterhaltungselektronik meint in erster Linie Angebote, die zum Denken oder zu sportlichen Aktivitäten anregen. Assistenzsysteme sind zum Beispiel Sturz- und Aktivitätsmelder für Daheim oder Geräte für Menschen in abgelegenen Gegenden, die im Krankheitsfall wichtige Daten an Gesundheitsstationen übermitteln können. Ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Projekte war die Übertragbarkeit auf andere Regionen oder bestenfalls auf das gesamte Bundesgebiet. Alle ausgewählten Technik-Botschafter werden zunächst geschult und nehmen dann ihre Arbeit auf, entweder in öffentlichen Internetcafés und Seniorentreffs oder aber in der persönlichen Beratung zuhause.

Eine persönliche Frage: Welchen Rat würden Sie aufgrund Ihres eigenen Erfahrungsschatzes anderen Menschen für das Älterwerden mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Ursula Lehr: Mein Rat lautet: Fange nie an aufzuhören und höre nie auf anzufangen. Das bezieht sich ganz speziell auf das Erlernen von technischen Fähigkeiten. Als Kinder haben viele von uns in zahlreichen Unterrichtsstunden das Klavierspielen gelernt. Warum nimmt man sich heute nicht einfach eine Internetstunde – oder noch besser: eine Stunde bei einem Technik-Botschafter? Genau wie früher erlernt man so Stück für Stück neue Fertigkeiten. Und es geht sogar viel schneller als damals mit dem Klavierspielen.

Zur Person

Prof. Dr. Ursula Lehr ist Vorsitzende der in Bonn ansässigen Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Die Psychologin ist eine führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Altersforschung und lehrte unter anderem an der Universität Köln, der Universität Bonn, der Universität Heidelberg und der Europa-Universität im spanischen Yuste. 1986 gründete Lehr das Institut für Gerontologie in Heidelberg. Von 1988 bis 1991 war sie Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und von 1991 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages.