Leichte Sprache
Gebärdensprache

Freiheit heute
Wie erklärt man Kindern Demokratie?

Ein Beitrag von Andrea Weller-Essers

Unsere demokratische Grundordnung bildet das Fundament für ein friedliches Zusammenleben. Deshalb ist es wichtig, schon Kindern Demokratie zu vermitteln. Offen bleibt jedoch oft die Frage: Wie bringen wir Kindern das kleine Einmaleins der Demokratie wirkungsvoll näher?

Was ist Demokratie?

Stellen Kinder diese Frage, erhalten sie häufig eine eher oberflächliche Antwort: Dass der Begriff „Demokratie“ aus dem Griechischen stamme und so viel bedeute wie „Volksherrschaft“. Es wird ihnen erklärt, dass also Bürgerinnen und Bürger bestimmen können, wer den Staat regiert und die Gesetze macht. Manchmal wird dann noch der große Vorteil dieser Staatsform mitgeliefert: Die demokratische Staatsform ermöglicht den Menschen ein selbstbestimmtes und freies Leben.

Doch die zunächst einfach klingende Erklärung führt – übrigens nicht nur bei Kindern – oft zu vielen weiteren Fragenzeichen: Wer ist überhaupt „das Volk“? Wie entstehen Gesetze? Und was bedeutet „selbstbestimmt“? Schnell zeigt sich die Komplexität des Themas: Es geht um Wahlrecht, Gewaltenteilung, Mehrheitsentscheid und Möglichkeiten des (Zusammen)Lebens.

Oft wird das eine nicht ohne das andere verständlich. So müssen wir wissen, was Parteien oder Abgeordnete sind, um zu verstehen, wie der Bundestag gewählt wird. Wollen wir diese Zusammenhänge erklären, verstricken wir uns schnell in immer längeren Antworten – denen Kinder oft nicht mehr folgen können.

Weniger ist mehr

Es lohnt sich daher, genauer zu überlegen: Welche Informationen sind wichtig, um Kindern die Grundzüge der Demokratie nahezubringen? Welche Informationen können wir getrost weglassen, weil sie für das Verständnis des großen Ganzen nicht notwendig sind? Bei einem solch komplexen Thema gilt, wie so oft: Weniger ist mehr. Eine lange, umfassende Erklärung bringt keine Erkenntnis, wenn sie die Zuhörenden überfordert oder deren Aufmerksamkeit überstrapaziert.

Dann besser kurz und knapp: „In einer Demokratie bestimmen die Menschen selbst, wer in einem Land regiert. Es gibt also keine einzelne Person, wie einen König oder eine Herrscherin, die allein über das Land bestimmt.“ Manchmal reicht eine so einfache Antwort bereits aus, um den kindlichen Wissensdurst zu stillen – und das ist absolut in Ordnung! Ein erster Schritt ist gemacht. Weitere werden folgen.

Vielleicht ist das Interesse jetzt auch erst richtig geweckt. Dann fragt das Kind nach oder erzählt von seinen Erfahrungen – und schon ist ein Gespräch über Demokratie im Gange. Dabei gilt es zu beachten: Das Kind bestimmt das Tempo. Und eine konkrete Frage verdient immer auch eine konkrete Antwort.

Demokratie in der kindlichen Alltagswelt

Egal, ob ich über Demokratie spreche oder als Kindersachbuchautorin darüber schreibe: Die Herausforderung liegt darin, aus der riesigen Informationsfülle die für Kinder relevanten Inhalte herauszufiltern und Kinderfragen anschaulich zu beantworten – und dabei kein „erwachsenes“ Vorwissen vorauszusetzen.

Es hilft immer, die kindliche Alltagswelt miteinzubeziehen. Spätestens in der Schule lernen Kinder bereits wichtige demokratische Elemente kennen: zum Beispiel bei den Wahlen von Klassensprecherinnen und Klassensprechern oder anderen Mehrheitsabstimmungen. Solche Erfahrungen bieten gute Gelegenheiten, über Demokratie zu sprechen.    

Demokratie macht (oft) Mühe

Gleichzeitig sollten wir nicht nur die Vorteile, sondern auch die Schwierigkeiten benennen. Denn Kinder erkennen schnell: Der demokratische Alltag kann ganz schön mühselig sein. Auch wenn Mitspracherecht für alle nach viel Action klingt, gehen einer Entscheidung im Regelfall lange Diskussionen voraus. Diese enden dann auch noch häufig in einem Kompromiss: Die sind selten die große Vorliebe von Kindern (und oft genug auch nicht der Erwachsenen), aber unabdingbar für ein gleichberechtigtes Miteinander.

Die oft schwerfällig anmutenden Abläufe sind gleichzeitig die große Errungenschaft der Demokratie. Denn sie berücksichtigen, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in der jeder einzelne Mensch seine eigene Meinung hat und vertreten darf. Das führt immer wieder zu Konflikten und starken Gefühlen, die eine faire Entscheidung erschweren.

Aber auch das kennen Kinder nur zu gut: Sie müssen sich regelmäßig in einer Gruppe einigen, z. B. auf das nächste Spiel oder wer als Erstes dran ist. In solchen Situationen haben Kinder oft ein starkes Gerechtigkeitsgefühl. Sie erleben es als ungerecht, wenn nur der Stärkste oder Lauteste bestimmen darf. Knüpfen wir an solche Erfahrungen an, machen wir das abstrakte Gebilde „Demokratie“ schnell sehr konkret.

Was ist wirklich wichtig?

Wir streiten, diskutieren und handeln Kompromisse aus, weil wir eben nicht „von oben“ regiert werden. Vielmehr sind wir auf der Suche nach Lösungen, die die Mehrheit der Gesellschaft mitträgt. Das bedeutet auch, andere Meinungen auszuhalten und sich damit auseinanderzusetzen, fair miteinander umzugehen und Schwächere oder Minderheiten zu schützen. Gleichzeitig müssen wir mehrheitlich getroffene Entscheidungen akzeptieren – auch wenn das nicht immer leichtfällt. Wenn wir das unseren Kindern Schritt für Schritt vermitteln können, ist viel geschafft.

Andrea Weller-Essers

Andrea Weller-Essers

Ich werde oft gefragt, warum ich ein Buch über Demokratie geschrieben habe. Die Antwort darauf ist einfach: Die Werte unserer Demokratie an Kinder weiterzugeben und sie zu bestärken, unsere Gesellschaft aktiv mitzugestalten, ist die beste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann.

Eine Broschüre zum Thema können Sie kostenlos auf der Website des Tessloff Verlags herunterladen.

Aufgabenfelder/Forschungsfeld: Autorin für Kinder- und Jugendmedien (u. a. WAS IST WAS Demokratie)

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit.​