Diakon Ralf Knoblauch und Pater Christoph Wichmann OP verbindet die Kunstaktion „Würde – unantastbar“. Im Interview sprechen sie über ihren Versuch, mehr Wertschätzung für die Würde aller Menschen zu schaffen.
Freiheit heute
„Würde und Freiheit sind untrennbar miteinander verknüpft.“
Lieber Herr Knoblauch, Sie sind katholischer Diakon und Künstler, eine spannende Kombination. Wie passt das für Sie zusammen?
Diakon Knoblauch: Ich würde mich nicht als Künstler bezeichnen wollen, sondern sehe mich eher als Impulsgeber. Ich versuche, das Thema „Würde“ in die Welt zu tragen. Dazu inspiriert mich meine diakonische Arbeit im Bonner Norden. Die seelsorgliche Arbeit mit Menschen in sehr prekären Lebenssituationen hat immer auch mit der eigenen Würde zu tun: In ihrer Not fragen sie häufig danach. Da gilt es für mich anzusetzen und die Menschen wieder aufzurichten. Insofern stehen beide Dinge, mein kreatives Schaffen und mein diakonisches Handeln, in einer Wechselbeziehung.
Zurzeit ziehen „Ihre“ Könige mit den Würdetafeln durch das Land. Wie kam es zu der Projektidee „Würde – unantastbar“?
Diakon Knoblauch: „Würde – unantastbar“ ist aus der Idee entstanden, in diesem besonderen Jahr 2024 ein deutliches Zeichen für Menschenwürde und Demokratie zu setzen. Dazu brennen wir die Worte „Würde“ und „unantastbar“ in Holztafeln ein mit der Überzeugung: Sie ist unauslöschlich, alternativlos und sichtbar. Dann verteilen wir die Würdetäfelchen in ganz Deutschland. Sie mögen den Menschen in den unterschiedlichsten Kontexten spiegeln: Jeder Mensch hat Würde. Jeder Mensch ist ein königlicher Mensch. Jeder ein König, jede eine Königin. Deswegen ist auf den Täfelchen immer auch eine Krone eingebrannt. Sie sollen sich an möglichst vielen Orten verbreiten und zur Diskussion anregen.
Jeder Mensch hat Würde. Jeder Mensch ist ein königlicher Mensch.
Diakon Ralf Knoblauch
Diplom-Theologe und Bildhauer bei „Würde unantastbar“
Das Wissenschaftsjahr 2024 – Freiheit erinnert unter anderem an den 75. Jahrestag des Grundgesetzes. Inwieweit hängen Würde und Freiheit für Sie zusammen?
Pater Christoph: Aus meiner Sicht sind Würde und Freiheit untrennbar miteinander verknüpft. Der Mensch ist – aus christlicher Perspektive – zur Freiheit berufen. Gleichzeitig ist diese Freiheit nicht grenzenlos, denn sie muss stets die Würde des anderen achten. Das ist gerade im Hinblick auf unsere Verantwortung, die Schöpfung angesichts planetarer Grenzen zu bewahren, von großer Bedeutung. Somit bleibt die Verbindung aus Freiheit und Würde spannungsreich.
Pater Christoph, wie haben Sie von den Würdetafeln und der Kunstaktion gehört? Wie war Ihre erste Reaktion?
Pater Christoph: Die Könige von Ralf Knoblauch begleiten mich schon seit vielen Jahren, unzählige Gottesdienste habe ich im Bistum Essen mit ihnen gefeiert. Interessanterweise habe ich von den Würdetafeln und der damit verbundenen Aktion nicht über katholische Medien erfahren. Rund um das Demokratiefest in Berlin habe ich Beiträge dazu in den sozialen Netzwerken gesehen – die haben mich neugierig gemacht.
Am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde ich dann auf die Stiftung „Kinder forschen“ aufmerksam, die das Thema „Freiheit und Demokratie für Kinder im Wissenschaftsjahr 2024“ kreativ aufgreifen. Im Gespräch entstand die Idee, das Thema in mein Kita-Arbeitsfeld zu integrieren und u.a. einen Brückenschlag zur Aktion „Würde – unantastbar“ zu wagen. Ich war sofort begeistert und habe überlegt, wie ich die Aktion in meine unterschiedlichen Arbeitsbereiche integrieren kann.
Wie ist Ihnen das konkret gelungen?
Pater Christoph: Ich arbeite bei Hedi Kitas im Erzbistum Berlin, einem Kita Zweck-Verband mit 73 Einrichtungen und gut 1000 Mitarbeitenden in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Da habe ich zunächst meine Kollegin aus dem Fachreferat „Kinderrechte und Demokratie“ ins Boot geholt. Jetzt verbinden wir zum Beispiel die Würdetafeln mit unserem neuen Kinderschutzkonzept. Außerdem werden wir bei unserer nächsten Leitungskonferenz mit knapp 80 Teilnehmenden einen Gottesdienst zum Thema „Würde – unantastbar“ feiern. Dort erhalten alle für ihre jeweilige Einrichtung eine Tafel.
Auf dem Schulhof der Katholischen Grundschule St. Paulus haben wir zum Pfarrfest unserer gleichnamigen Klostergemeinde einen Stand zum Thema aufgebaut. Kinder konnten Kronen malen und Jugendliche und Erwachsene Gedanken zur Würde auf eine Stellwand schreiben. Die Resonanz war sehr positiv und vielschichtig.
Die Tafeln haben wir in der Caritas Werkstatt St. Johannesberg in Berlin anfertigen lassen, sodass Menschen mit Behinderung an der Herstellung beteiligt sind – eine großartige Kooperation.
Seit Münster begleitet die Würdetafel auch die MS Wissenschaft. Die Ausstellung der MS Wissenschaft richtet sich vor allem an Kinder ab 12 Jahren. Was möchten Sie den Jugendlichen mit Ihrer Tafel mitgeben?
Diakon Knoblauch: Ich wünsche mir vor allem, dass Jugendliche kreativ mit dem Thema umgehen. Dass sie über die Würdetäfelchen immer wieder neu ins Gespräch kommen, vor allem, wenn die Würde angetastet wird. Und natürlich, dass sie einen würdevollen und wertschätzenden Umgang in ihrem Alltag erfahren.
Warum muss man gerade Kindern und Jugendlichen das Thema Würde näherbringen?
Pater Christoph: Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig erfahren, dass sie einen Selbstwert haben. Sätze wie „Du bist wertvoll, so wie du bist!“ oder „Du bist gewollt und geliebt, auch mit deinen Fehlern und Schwächen!“ sind unglaublich wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung junger Menschen. Das könnte ein Ansatz sein, sich dem Thema Würde anzunähern.
Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig erfahren, dass sie einen Selbstwert haben.
Pater Christoph Wichmann OP
Referent der Geschäftsführung bei Hedi Kitas
Diakon Knoblauch, vielleicht können Sie schon ein erstes Zwischenresümee ziehen? Wie kommt die Aktion an? Was hören Sie?
Diakon Knoblauch: Wir sind mit der Aktion im Februar gestartet. Innerhalb kürzester Zeit haben wir sehr viel Zuspruch und Solidarität erfahren. Wir haben nicht mehr ganz genau den Überblick, schätzen aber, dass mittlerweile 15.000 Würdetäfelchen in ganz Deutschland verteilt wurden. Es hat sich verselbstständigt, so wie wir es uns immer gewünscht haben.
Eine abschließende Frage an Sie beide: Hat Sie eine Rückmeldung besonders gefreut bzw. überrascht?
Diakon Knoblauch: Besonders dankbar bin ich für eine Begegnung mit einem Menschenrechtsbündnis in Pirna. Da konnten wir den Aktivistinnen und Aktivisten viele Würdetäfelchen übergeben. Ich habe gespürt, wie dankbar sie für diese Solidarisierung waren. Von solchen Begegnungen hat es im letzten halben Jahr sehr viele gegeben.
Pater Christoph: Mich hat besonders gefreut, dass wir so viele Menschen für das Würde-Projekt begeistern konnten. So halten wir ein wichtiges – auch christliches – Thema wach und tragen als Kirche zur politischen Bildung bei. Das ist gerade in diesen Zeiten entscheidend.
Dipl.-Theol. Ralf Knoblauch
Ralf Knoblauch ist Diakon und Holzbildhauer aus Bonn.
„Die unantastbare Würde des Menschen ist seit vielen Jahren mein Lebensthema. Es findet Ausdruck in Königsskulpturen aus Eichenholz, die in einem spirituellen Prozess in meiner Werkstatt entstehen. Sie sind weltweit dort präsent, wo die Würde des Menschen angefragt oder bedroht wird. Sie halten das Thema der Menschenwürde im Kontext von Religion, Kultur, Wirtschaft und Politik wach.“
Link: Würde – unantastbar
Pater Christoph Urban Wichmann OP
Pater Christoph Wichmann OP ist Gemeindepriester, Referent der Geschäftsführung bei Hedi Kitas und zertifizierter Freiwilligenmanager. Nach 16 Jahren Gemeindeseelsorge im Bistum Essen verbringt er sein Studentat im Konvent St. Paulus in Berlin Moabit.
Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit.