Die großen Unbekannten

Schematische Darstellung des Blutkreislaufs in den Alveolen Schematische Darstellung des Blutkreislaufs in den Alveolen Quelle: Patrick J. Lynch

Erkrankungen der Lunge als Spitzenreiter bei den Volkskrankheiten? Ja, sie gehören in nahezu allen Bereichen der inneren Medizin zu den Spitzenreitern. Die biomedizinische Forschung hat sich der Lungenkrankheiten deswegen in jüngster Zeit mit wachsender Intensität angenommen.

Lungenerkrankungen sind im Bewusstsein vieler Menschen längst nicht so präsent wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu Unrecht: Der Lungenkrebs, das „Bronchialkarzinom“, ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Die Mukoviszidose ist in der westlichen Welt die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung. Die Lungenentzündung („Pneumonie“) gilt global als eine der wichtigsten zum Tode führenden Infektionen. Und die Lungenerkrankung im Maximalstadium des akuten Versagens („Atemnotsyndrom“) ist die Todesursache Nummer eins auf Intensivstationen.

Bekannter sind die beiden wichtigsten chronischen Lungenerkrankungen: An Asthma bronchiale erkrankt in Deutschland jeder zehnte Erwachsene. Bei Kindern liegt die Quote sogar noch höher. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung („COPD“) zu erkranken, ist ähnlich hoch. Beim Asthma leiden die Betroffenen unter anfallsweiser Atemnot, die im Extremfall lebensbedrohlich sein kann. Bei der COPD wird die Luft über Jahre hinweg zunehmend knapper, so lange, bis schon einfachste Tätigkeiten nur noch mit Luftnot zu bewältigen sind.

Im Zuge der Tuberkuloseepidemie im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert hat sich die Lungenmedizin in Deutschland weg von den universitären Forschungseinrichtungen und hin in Richtung der damals zahlreichen Lungenheilstätten verlagert. Mittlerweile haben sich an vielen universitären und außeruniversitären Einrichtungen große Forschungsgruppen etabliert, die sich der Erforschung von Lungenerkrankungen annehmen. Sie haben der deutschen lungenmedizinischen Forschung in den letzten Jahren international zunehmend Aufmerksamkeit gebracht. So sind pneumologische Forscherinnen und Forscher in Deutschland unter anderem weltweit führend bei der Erforschung des Lungenhochdrucks.

Für Patientinnen und Patienten mit Lungenerkrankungen ist das Spektrum an Therapien im Vergleich zu vielen anderen Erkrankungsgruppen derzeit noch relativ überschaubar. „Uns stehen aber große therapeutische Fortschritte bevor. Die Lungenforschung dürfte sich in den nächsten Jahren rapide entwickeln“, betont Professor Dr. Werner Seeger von der Universität Gießen, den das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) als Gesamtkoordinator benannt hat. Das DZL gehört zu den sechs von der Bundesregierung neu eingerichteten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung Gesucht sind dabei qualitativ neue Behandlungsmethoden, die deutlich über das hinaus gehen, was im Moment therapeutisch zur Verfügung steht.

Das DZL bringt über 170 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Arbeitsgruppen aus 18 universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an fünf Standorten zusammen. Insgesamt acht Krankheiten oder Krankheitsgruppen stehen im Zentrum des Interesses: Asthma und Allergien, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die zystische Fibrose (Mukoviszidose), die Lungenentzündung, die diffus-parenchymatösen Lungenerkrankungen, der Lungenhochdruck, das Atemnotsyndrom und der Lungenkrebs. „Zwischen den unterschiedlichen Erkrankungen gibt es eine Reihe von Überschneidungen bei den zugrunde liegenden Mechanismen der Schädigung“, betont Seeger.

Das DZL hat für seine Forschung deswegen drei Hauptperspektiven definiert, um lungentypische Krankheitsprozesse übergreifend untersuchen zu können. Gerichtet werden soll der Blick zum einen auf entzündliche Prozesse, die bei infektiösen und nicht-infektiösen Lungenerkrankungen gleichermaßen Bedeutung haben. Reparaturprozesse, die es der Lunge bei einigen Erkrankungen ermöglichen, sich fast komplett zu regenerieren, sind ein zweiter Fokus. Schließlich sollen auch Proliferationsprozesse untersucht werden, die bei gutartigen und bösartigen Lungenerkrankungen vorkommen und die den an filigrane Strukturen gebundenen Gasaustausch schwer beeinträchtigen können.

 

Weitere Informationen:

Informationen zum Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL)

 

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