Plädoyer für vernetztes Forschen

Kompetenznetzwerke sind die Zukunft der Gesundheitsforschung - Beitrag des Medizinnobelpreisträgers Harald zur Hausen


 

 

Porträt des Medizinnobelpreisträgers Harald zur Hausen Porträt des Medizinnobelpreisträgers Harald zur Hausen

Der internationale Austausch von Wissen und Informationen ist für die Wissenschaft im Allgemeinen und die medizinische Forschung im Besonderen von immenser Bedeutung. Dies kann ich mit Blick auf meine eigene Arbeit und jahrelange Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen aus aller Welt gar nicht stark genug betonen.

Auf unserer Suche nach den unterschiedlichen Typen der Humanen Papillomviren (HPV) waren mein Team und ich auf die Unterstützung und Hilfe ausländischer Labore regelrecht angewiesen. Nur unter Verwendung der Krebszell-Proben, die uns aus aller Welt zur Verfügung gestellt wurden, konnten wir experimentell beweisen, dass eine Infektion mit bestimmten HPV-Typen für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs ursächlich ist. Im Gegenzug war es für uns selbstverständlich, dass wir Forschungszentren weltweit an unseren neu gewonnenen Erkenntnissen teilhaben ließen, denn schließlich ging es uns darum, die Fortschritte in der Krebsprävention insgesamt zu beschleunigen.

Wenn wir uns jetzt und in Zukunft den zahlreichen und enormen Herausforderungen der Weltgesundheitsdebatte stellen wollen, ist die Vernetzung der weltweiten Forschergemeinde essentiell. Auch wenn in den Entwicklungsländern der Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Aids, Malaria oder Hepatitis im Vordergrund steht, will ich zur Erläuterung auf das Problem infektionsbedingter Krebserkrankungen in diesen Ländern hinweisen. Der Kampf für die Prävention von Zervixkarzinomen weltweit kann nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn Wissenschaft, Forschung, Pharmaindustrie und Politik vernetzt zusammenarbeiten und ihr Wissen und ihre Kompetenzen allen Beteiligten wechselseitig zur Verfügung stellen. In Pilotprojekten der Internationalen Union gegen Krebs (UICC) in Tansania ist es uns beispielsweise gelungen, internationale Forscher, die Wirtschaft und die örtlichen Gesundheitsbehörden erfolgreich zur Durchführung von HPV-Impfprogrammen zusammenzubringen – mit zweifelsohne hohem Wert für die Prävention von Gebärmutterhalskrebs, der weltweit zweithäufigsten Krebserkrankung bei Frauen. 

Die internationale Zusammenarbeit in der Gesundheitsforschung muss auf funktionierende und effiziente Strukturen in den nationalen Gesundheitssektoren aufbauen können. Darum ist es wichtig, dass die Bundesregierung, wie in ihrem Rahmenprogramm für Gesundheitsforschung vorgesehen, im Wissenschaftsjahr 2011 mit dem Motto „Forschung für unsere Gesundheit“ vier Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) in den Bereichen Infektionskrankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrankheiten und Krebs gegründet hat – die Deutschen Zentren für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und für Diabetesforschung (DZD) bestehen bereits seit dem Jahr 2009. Die besten Forschergruppen aus der Hochschulmedizin und aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen arbeiten in diesen Zentren eng zusammen und beziehen dabei auch Akteure der Wirtschaft ein – für einen raschen Erkenntnisgewinn und verbesserte Translationsprozesse. Mit leistungsfähigen und innovativen Forschungszentren können wir eine wichtige Rolle im internationalen Netz der Forschergemeinde einnehmen und dabei selbst vom Informationsfluss und Wissenstransfer profitieren.

Die Vernetzung von Kompetenzzentren weltweit ist ein komplizierter Prozess, der von politischen Verhandlungen und dem Aufbau adäquater Strukturen begleitet wird. Äußerst lebendig und inspirierend verlaufen jedoch der länderübergreifende Austausch und die Kontaktpflege gerade unter jungen Forscherinnen und Forschern. Nicht selten liefern Begegnungen unter Wissenschaftlern mit unterschiedlichsten fachlichen und kulturellen Hintergründen entscheidende Impulse für Kooperationen und gemeinsame Projekte. Die Lindauer Nobelpreisträgertagungen haben es sich zur Aufgabe gemacht, aufstrebende junge Wissenschaftler in ihrer Leidenschaft für die Forschung zu bestätigen und zu engagierter Zusammenarbeit zu motivieren. Mit Freude und Zuversicht stelle ich fest, dass damit in vielen Fällen der Anstoß zu internationaler Vernetzung gemacht wird – den Ball weiterzuspielen, bleibt unsere Aufgabe.

Der renommierte Forscher Harald zur Hausen erhielt 2008 den Medizinnobelpreis.

 

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