Eine Herzensangelegenheit

Schematische Darstellung des Herzens mit sauerstoffarmen und -reichen Blut

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen ganz oben in den Krankheitsstatistiken: „Das Herz ist der Schlüssel der Welt und des Lebens“, schrieb Novalis 1798. In der modernen biomedizinischen Forschung ist das Herz zwar nicht mehr so metaphorisch aufgeladen. Als Zentralorgan des Herz-Kreislauf-Systems nimmt es aber weiterhin eine herausgehobene Stellung ein. Die Forschung dazu ist ein zentrales Betätigungsfeld der biomedizinischen Wissenschaft.

Rund drei Milliarden Herzschläge hat ein achtzigjähriger Mensch am Ende seines Lebens hinter sich. Jeder Herzschlag pumpt das Blut in ein weit verzweigtes System aus Blutgefäßen, die die Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Nicht immer klappt das reibungslos, in Deutschland stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den Todesursachen an erster Stelle. Etwa vier von zehn Todesfällen gehen darauf zurück, mehr als 350.000 pro Jahr, damit belegen sie den Spitzenplatz der Volkskrankheiten.
Zu den wichtigsten Erkrankungen gehört die Atherosklerose, die „Verkalkung“ der Blutgefäße. Sie kommt an unterschiedlichen Stellen vor. Ist das Herz betroffen, reden Fachleute von koronarer Herzerkrankung. Am Bein wird von peripherer arterieller Verschlusskrankheit und im Gehirn von zerebrovaskulärer Gefäßerkrankung gesprochen. Die Orte sind unterschiedlich, die Folgen überall ähnlich: Gefäßveränderungen führen zu Durchblutungsstörungen an den betreffenden Organen. Im schlimmsten Fall kommt der Blutfluss zeitweilig komplett zum Stillstand. Das Resultat ist im Gehirn ein Schlaganfall, am Herzen ein Herzinfarkt und am Bein ein Geschwür, das eine Amputation nach sich ziehen kann.

Die häufigste Herz-Kreislauf-Erkrankung ist der Bluthochdruck, einer der wichtigsten Ansatzpunkte für die kardiovaskuläre Prävention. Circa 20 Millionen Menschen sind in Deutschland davon betroffen. Ein über Jahre hinweg hoher Blutdruck kann für fast alle Organe schwerwiegende Folgen haben: Das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen steigt. Die Niere kann versagen. Und bluthochdruckbedingte Blutgefäßschädigungen im Auge können bis zur Erblindung führen.

Die Grundlagenforschung und die klinische Wissenschaft haben auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen viel erreicht. Der Anstieg der Lebenserwartung in den Industrienationen in den vergangenen dreißig Jahren ist eine Folge der besseren Behandlung von Patientinnen und Patienten. Doch gelöst ist das Problem damit noch nicht, wie die Statistiken zeigen. Sowohl im Bereich der Pharmakotherapie als auch bei den interventionellen Verfahren und bei den kardiovaskulären Implantaten können in den nächsten Jahren Fortschritte erwartet werden. So dürften in Zukunft beispielsweise immer mehr Eingriffe an Herzklappen ohne offene Operation erfolgen. Und der Einsatz von Stammzellen könnte für die Therapie von Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Um das Problem der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Griff zu bekommen, ist es im Sinne der Prävention außerdem wichtig, Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko früh zu erkennen und durch gesundheitsbewusstes Verhalten dazu beizutragen, dass die Erkrankungen glimpflich ablaufen oder gar nicht erst auftreten. Auch hier gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die die Forschung noch klären muss: Können genetische Besonderheiten dazu genutzt werden, Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko zu identifizieren? Ist es möglich, mit moderner Bildgebung Veränderungen am Herzen oder an den Blutgefäßen früh zu erkennen und damit zeitiger zu behandeln? Wie lassen sich nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall erneute Ereignisse effektiver verhindern? Antworten auf diese und andere Fragen zur Herz-Kreislauf-Prävention gibt es bisher nur ansatzweise – mit Hilfe der Forschung soll sich das ändern.

Herz-Kreislauf-Forschung braucht interdisziplinäre Zusammenarbeit und groß angelegte Studien. Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung finden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gute Voraussetzungen für ihre Forschungsprojekte. Es gehört zu den sechs von der Bundesregierung neu eingerichteten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Mehr als 120 angesehene Expertinnen und Experten bündeln an den sieben Standorten des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) ihre Kompetenzen. 26 Einrichtungen haben sich dazu zusammengeschlossen, um durch gemeinsame Forschung die Prävention, die Diagnostik und die Therapie voran zu bringen. Gerade bei den kardiovaskulären Erkrankungen ergebe ein bundesweit angelegtes Zentrum viel Sinn, betont DZHK-Koordinator Professor Dr. Thomas Eschenhagen vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf: „Weil die Forschung hier schon viel erreicht hat, sind weitere Fortschritte eher in kleinen Schritten zu erwarten. Dazu benötigen wir immer größere Studien, Patientenregister und Biomaterialbanken. Das lässt sich in einem Zentrum sehr viel besser umsetzen als in Einzelinstitutionen, die technisch und finanziell oft ausgelastet sind.“

Das Spektrum der Fachrichtungen im DZHK reicht von der Kardiologie und der Neurologie über Chirurgie, Pharmakologie und Pathologie bis hin zur Kinderheilkunde. „Wir bringen damit ganz unterschiedliche Schwerpunkte der Herz-Kreislauf-Medizin zusammen und bauen so eine leistungsfähige Wissenschaftsinfrastruktur auf, die auch international sichtbar sein wird“, so Eschenhagen. Die Standorte und Einrichtungen, die sich im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung zusammen tun, legen sechs gemeinsame Forschungsprogramme auf. Die Programme widmen sich den Themen Gefäßerkrankungen, erbliche und entzündliche Herzerkrankungen, Herzversagen, Herzrhythmusstörungen, kardiovaskuläre Prävention und bildgebende Verfahren des Herzens. Jeweils mindestens zwei Standorte arbeiten bei Forschungsprojekten aus diesen sechs Bereichen eng zusammen.

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