Infektionskrankheiten – aktueller denn je

Streptococcus pneumoniae, Hauptverursacher der Lungenentzündung Streptococcus pneumoniae, Hauptverursacher der Lungenentzündung

Infektionskrankheiten stehen in weniger entwickelten Ländern und speziell in vielen tropischen Ländern ganz vorne auf der medizinischen Agenda. Aber auch in den Industrienationen sind sie keineswegs ausgestorben. Die aktuelle Ehec-Krise zeigt, dass in der Gesundheitsforschung neue Fragen zu beantworten sind.

Unabhängig davon, wie die Fragen zu Ehec beantwortet werden, bleibt festzustellen, dass die moderne Hochleistungsmedizin neue Lebensräume geschaffen hat, an die sich Keime anpassen. Eine wichtige Nische sind die Krankenhäuser und hier speziell die Intensivstationen. Dort können sich robuste Bakterienstämme etablieren, die unempfindlich sind gegen viele Antibiotika. Es wird geschätzt, dass in Deutschland pro Jahr 10.000 bis 20.000 Menschen an Krankenhausinfektionen sterben. Krankenhauskeime infizieren mindestens eine halbe Million Menschen pro Jahr. Das Spektrum reicht von Wundinfektionen über Atem- und Harnwegsinfekte bis zur Sepsis („Blutvergiftung“).

Auch der Einsatz medizinischer Gerätschaften kann Infektionserreger begünstigen. Bei mangelnder Hygiene sind beispielsweise Beatmungsmaschinen mit ihren zahlreichen Schläuchen ein potenzieller Lebensraum für Krankenhauskeime. Auch die moderne Pharmakotherapie trägt dazu bei, dass Infektionserkrankungen neue Angriffspunkte finden: Immer mehr Menschen bekommen Medikamente, die das Immunsystem abschwächen, etwa nach Organtransplantationen oder bei schweren chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Für die Betroffenen sind diese Arzneimittel sehr wichtig. Sie bergen aber das Risiko, sich eine Infektionserkrankung zuzuziehen, auf die ein intaktes Immunsystem ohne Probleme reagiert hätte.

Noch eine andere Errungenschaft der Moderne spielt Krankheitserregern in die Hände: In einer Welt, in der die Reise von einem Erdteil in den anderen zu einer Frage von Stunden geworden ist, fällt es auch Mikroorganismen leichter, sich auszubreiten. Zum Beispiel wie bei der SARS-Epidemie, die 2002/2003 weltweit etwa eintausend Todesopfer gefordert hat. SARS – eine atypische Lungenentzündung – wurde zuerst in der chinesischen Provinz Guangdong beobachtet. Kurz darauf traten dann im 10.000 Kilometer entfernten Großraum Toronto mehrere hundert SARS- Infektionen auf, die teilweise tödlich verliefen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass viele der ersten kanadischen SARS-Patienten im selben Hotel untergebracht waren und die Erkrankung dann mit dem Flugzeug nach Kanada gebracht hatten.

Die meisten Menschen denken beim Stichwort Infektionen an plötzlich auftretende Erkrankungen, die einige Tage oder Wochen anhalten und dann wieder verschwinden. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Einer der Gründe, warum Mikroorganismen in jüngster Zeit auch für die medizinische Forschung wieder sehr interessant geworden sind, sind die Folgen, die manche Infektionen haben können. So kennen Krebsexpertinnen und -experten heute mit dem Leberkrebs, dem Gebärmutterhalskrebs und dem Magenkrebs zumindest drei häufige Tumorerkrankungen, an denen Infektionen mit Viren oder Bakterien ursächlich beteiligt sind. Bei anderen Krebsformen wird das diskutiert. Auch einige chronisch-entzündliche Erkrankungen könnten Langzeitfolgen von Infektionen sein.

Entsprechend vielfältig ist die Forschung auf dem Gebiet der Infektionserkrankungen: Moderne molekular-genetische Verfahren helfen dabei, zu klären, wie bestimmte Krankheitserreger die Zellen und Organe des menschlichen Körpers schädigen. Epidemiologische Studien und klassische Feldforschungen geben Auskunft über die Ausbreitung einzelner Keime, ihrer Wirtsorganismen und Überträger. In der pharmazeutischen Infektionsforschung geht es vor allem darum, neue Antibiotika zu identifizieren. Und die Präventionsforschung konzentriert sich einerseits auf die Eindämmung lokaler Epidemien, andererseits auf die Entwicklung effektiver und sicherer Impfstoffe.

In Deutschland war die Infektionsforschung bisher stark fragmentiert. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gehört zu den sechs von der Bundesregierung neu eingerichteten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung und bringt mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an sieben Standorten zusammen. „So können wir unsere Aktivitäten bündeln und die Stärken der unterschiedlichen Einrichtungen für groß angelegte gemeinsame Forschungsprogramme nutzen“, betont Professor Dr. Dirk Heinz vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.

Das DZIF hat elf Schwerpunkte definiert, in denen sich besonders wichtige Forschungsfragen stellen. Da sind zum einen die großen Infektionserkrankungen HIV/AIDS, Malaria, Virushepatitis und Tuberkulose sowie die Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, die jeweils viele Millionen Menschen betreffen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt kümmert sich um neue Infektionserkrankungen, die oft von Tieren auf den Menschen überspringen („Zoonosen“). Das Dengue-Fieber, die SARS-Erkrankung und die Schweinegrippe gehören in diese Kategorie.

 

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