Erste Hilfe am Rauchertelefon



Dr. Martina Pötschke-Langer Dr. Martina Pötschke-Langer,
 Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des
 WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle 
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Rauchen ist ungesund, das ist bekannt. Trotzdem rauchen rund 30 Prozent der Deutschen über 18 Jahren. Mit rationalen Argumenten und Appellen an die Vernunft kommt man allerdings nicht weiter, denn Tabakkonsum macht abhängig. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rauchertelefons den Hörer abnehmen, haben sie am anderen Ende der Leitung meist mit schwer suchtkranken Menschen zu tun.

Gesundheitsforschung wirkt sich ganz konkret aus: Seit 1999 bietet das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) die telefonische Beratung bundesweit an. Aufklärung tut nach wie vor Not, denn Rauchen ist der mit Abstand wichtigste Risikofaktor für viele ernsthafte chronische Krankheiten und verkürzt das Leben um durchschnittlich zehn Jahre. Rund 110.000  Menschen sterben im Jahr allein in Deutschland an den Folgen des Rauchens, zudem mehr als 3.300 Nichtraucher infolge des Passivrauchens.

Etwa 15 Anrufe gehen täglich nachmittags bei dem Team aus Psychologinnen ein. Zwar melden sich auch Angehörige, zum Beispiel Eltern von Teenagern, die sich Tipps erbitten, wie sie ihre Sprösslinge vom Rauchen abbringen. Doch sind es in der Regel „Schwerstabhängige“, wie Dr. med. Martina Pötschke-Langer,
Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des
 WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle 
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), beschreibt. „Das sind Hardcore-Raucherinnen und -Raucher, die meisten in den mittleren Lebensjahren. Ergänzend dazu bieten wir spezielle Beratung am Telefon für Krebspatienten, die aus Kliniken an uns verwiesen werden. Diese Anruferinnen und Anrufer haben Angst vor einem Rückfall und schaffen es aus verschiedenen Gründen nicht, einen Therapeuten in der Nähe aufzusuchen.“


Strategien erarbeiten

Die Last der Sucht und die Angst vor schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen lassen tabakabhängige Menschen zum Hörer greifen. „Die meisten haben schon einige erfolglose Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, hinter sich“, schildert Pötschke-Langer. Ihr Team befragt die Anrufenden ganz konkret nach der persönlichen Lebenssituation, erarbeitet mit diesem die Vorteile eines Rauchstopps und entwickelt eine klare Strategie für die nächsten Schritte: Zum Beispiel sollten Betroffene ein Datum festlegen, wann die Abstinenz beginnen soll. Oder sie sollten ihr Umfeld miteinbeziehen, Familie, Kinder und Freunde um Verständnis für eventuelle schlechte Laune bitten.

„Wir raten meist dazu, mit alten Gewohnheiten zu brechen, also für etwa vier bis sechs Wochen Orte und Menschen zu meiden, die zum Rauchen animieren“, so Pötschke-Langer. „Vor allem Frauen fragen auch nach einer Gewichtszunahme und die erfolgt in der Tat in vielen Fällen. Diese kann man einkalkulieren und sich bemühen, bereits vor dem angestrebten Rauchstopp-Termin ein bis zwei Kilo vorher abzunehmen.“ Sieben harte Tage gilt es, mit starken Entzugserscheinungen fertig zu werden. Danach wird es in der Regel leichter. „Vielen Anruferinnen und Anrufern führen wir auch den Kostenfaktor vor Augen: Wer eine Woche das Geld für die Schachtel Zigaretten spart, kann sich für 28 Euro eine schöne CD, ein Buch oder eine Konzertkarte kaufen. Im Monat spart man mehr als 100 Euro, in zehn Jahren entspricht die Summe einem Mittelklassewagen“, rechnet Martina Pötschke-Langer vor.


Deutlichere Warnhinweise

Angesichts dieser Summen und der drastischen Folgen, die Rauchen für den Körper hat, bleibt trotzdem die Frage, warum immer noch so viele Menschen zur Zigarette greifen. Wie Martina Pötschke-Langer berichtet, fühlen sich Raucherinnen und Raucher trotz vieler Präventionsmaßnahmen nicht ausreichend informiert. „Wir können für die Vorsorge und Aufklärung niemals so viele öffentliche Mittel aufbringen wie die Tabakindustrie für ihre Werbung, das sind jährlich 300 bis 500 Millionen Euro“, betont die Expertin. Sie plädiert dafür, die Warnhinweise auf den Schachteln, die sich bereits als positives Mittel zur Sensibilisierung der Raucherinnen und Raucher erwiesen haben, noch prominenter zu platzieren: „Sie sollten achtzig Prozent der Fläche einnehmen und bildgestützt sein“, fordert die Medizinerin.

Zur Warnung dienen dann zusätzlich zum Text schockierende Bilder, wie die einer von Parodontitis zerfressenen Zahnreihe, von Impotenz oder von einer zerfetzten Lunge. „Inzwischen gibt es ausreichend wissenschaftlich fundierte Studien, die belegen, dass die drastischen Darstellungen der Folgekrankheiten des Rauchens die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Raucherinnen und Raucher ihren Konsum reduzieren oder gänzlich aufgeben und Jugendliche gar nicht mit dem Rauchen beginnen. Außerdem erreichen die Bildwarnhinweise auch Leute, die kaum oder gar nicht lesen können, sowie Menschen, die der Landessprache nicht mächtig sind“, sagt Martina Pötschke-Langer.