„Wir müssen den Atem besser schützen“



Felicitas von Aretin

Kerstin von Aretin, Leiterin der Geschäftsstelle der Stiftung Atemweg, hat eine Vision: Weniger Menschen sollen an Lungenkrankheiten leiden. Um die Forschung auf diesem Gebiet zu unterstützen, wirbt sie um Spenden für das Comprehensive Pneumology Center (CPC) des Helmholtz Zentrums München. Ihr Ziel: In den kommenden Jahren soll die Stiftung Atemweg zu einer der großen Gesundheitsstiftungen in Deutschland werden.

Frau von Aretin, warum liegt Ihnen das Thema Atemwegserkrankungen persönlich am Herzen?

Während des Studiums habe ich eine Zeit lang als Schwesternhelferin gejobbt und auch auf einer Lungenstation hospitiert. Dort wurde mir bewusst, welchen Leidensdruck die Betroffenen haben. Wenn man keine Luft bekommt, ist das sehr existenziell und beeinträchtigt die Lebensqualität massiv und über lange Zeit hinweg. Diese Erfahrung hat mich stark geprägt. Lungenerkrankungen sind weltweit die Todesursache Nummer zwei. Das hat auch die Münchner Bank überzeugt, die ja zusammen mit dem Helmholtz Zentrum München die Stiftung gegründet hat.

Was kann eine Stiftung tun, um den Betroffenen zu helfen?

Aus meiner Sicht gibt es eine große Diskrepanz zwischen der gesellschaftlichen Relevanz von Atemwegserkrankungen und dem Stand der Forschung. Bei vielen chronischen Lungenkrankheiten wissen wir immer noch nicht, woher sie kommen und wie sie wirksam behandelt werden können. Sicher, rauchen ist ein Faktor, etwa bei der Entstehung der unheilbaren Lungenkrankheit COPD. Aber auch Nichtraucher sind betroffen und nicht alle Raucher entwickeln eine COPD. Wie also sind die genauen Entstehungszusammenhänge? Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf und dafür akquirieren wir Spendengelder. Darüber hinaus engagieren wir uns auch stark in der Öffentlichkeitsarbeit.

Aber es gibt doch in Deutschland bereits starke Organisationen, die sich dieses Themas annehmen, etwa die Deutsche Lungenstiftung.

Das stimmt. Die meisten Organisationen setzen jedoch vor allem auf gesundheitliche Aufklärung. Wir wollen einen Schritt weitergehen und bewusst machen, dass es den Atem zu schützen gilt. Damit schlagen wir auch einen Bogen zur Umweltthematik. Schließlich ist die Lunge negativen Umwelteinflüssen wie der Luftverschmutzung besonders stark ausgesetzt. Deshalb binden wir auch Unternehmen ein, die zum Beispiel im Bereich erneuerbarer Energien tätig sind – und erweitern damit das Verständnis von Prävention.

Fundraising ist oft ein mühsames Geschäft. Wie bringen Sie die Menschen dazu, für die Stiftung Atemweg den Geldbeutel zu öffnen?

Eine Idee sind unsere Charity Dinner. In diesem Rahmen wollen wir regelmäßig Kulturerlebnisse versteigern, die man nicht kaufen kann. Beim ersten Dinner, das wir zusammen dem Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young veranstaltet haben, wurden Karten für ein Konzert der Bayerischen Staatsoper im Vatikan versteigert. Oder eine Requisite aus Christoph Schlingensiefs letztem Theaterstück, das nicht mehr aufgeführt wurde. Da auch er an Lungenkrebs gestorben ist, sieht seine Witwe unsere Stiftung sehr positiv. Grundsätzlich geht es aber nicht darum, in großer Runde ein Sektglas zu halten. Viel wichtiger ist es, sich ständig zu informieren, wer sich für Lungenerkrankungen interessieren könnte. Man braucht also ein gutes Gespür für Menschen und Themen.

Um das Anliegen der Stiftung in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, setzen Sie auch auf Prominente wie Roland Kaiser oder das Bergsteigerduo „Huberbuam“. Welche Rolle spielen diese sogenannten Atembotschafter?

von Aretin: Wenn sie authentisch sind, können Prominente solche Leitideen besonders gut transportieren. Unsere Atembotschafter bekommen kein Geld. Sie bringen sich ein, weil der Atem und die gesunde Lunge für ihren Beruf als Sänger, Schauspieler oder Sportler so wichtig sind. Sie engagieren sich, weil sie persönlich in ihrem Umfeld mit Lungenkrankheiten wie Asthma, Mukoviszidose oder Lungenfibrose in Kontakt kamen.

Die Stiftung Atemweg wurde 2010 gegründet und befindet sich noch im Aufbau – wo sehen Sie die Stiftung in fünf Jahren?

Wir möchten „Atemweg“ zur Marke machen und als feste Größe unter den Gesundheitsstiftungen etablieren. Wenn wir eines Tages unsere eigene Spendengala im Fernsehen haben, bin ich zufrieden – zumindest, was die öffentliche Aufmerksamkeit angeht.


Zur Person:

Kerstin von Aretin hat seit 2006 das Helmholtz Zentrum München als externe Beraterin für  Wissenschaftskommunikation bei seinem Veränderungsprozess begleitet. Nach drei Jahren übernahm sie dort die Stabsstelle Grundsatzfragen und Fundraising. Seit 2010 leitet sie auch die Geschäftsstelle der Stiftung Atemweg in München.

Über die Stiftung Atemweg:

Unter dem Dach des Lungenforschungszentrums CPC (Comprehensive Pneumology Center) untersucht das Helmholtz Zentrum München gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und den Asklepios Fachkliniken Mechanismen und Ansätze für Diagnostik und Therapie chronischer Lungenerkrankungen. Aufgabe der Stiftung Atemweg ist es, Geld für besonders innovative Forschungsprojekte des CPC zu akquirieren. Finanzpartnerin und Mitgründerin der Stiftung ist die Münchner Bank.

Zur Stiftung Atemweg: www.atemweg-stiftung.de

Zum Comprehensive Pneumology Center: www.cpc-munich.org