Wenn der Atem weg bleibt



Herbstzeit – Schnupfen und Husten haben Hochsaison. Doch nicht nur simple Erkältungen können uns den Atem verschlagen. Ob Asthma, Allergie oder Raucherlunge: Erkrankungen der Atemwege haben sich zur Volkskrankheit entwickelt und gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Sind sie chronisch, beeinträchtigen sie Alltag und Lebensqualität der Betroffenen je nach Schwere der Krankheit ein Leben lang. Die Therapiemöglichkeiten sind noch begrenzt. Neue Wege in der Gesundheitsforschung sollen das ändern.

Jeder Mensch besitzt 300 Millionen Lungenbläschen mit einer Gesamtoberfläche von 80 bis 120 Quadratmetern. Neugeborene nehmen 40 Atemzüge pro Minute, bei Erwachsenen sind es 16 bis 20. Die Lunge gibt uns Luft zum Atmen, sie ist jedoch anfällig. Zu den häufigsten Symptomen für Atemwegserkrankungen – also Erkrankungen von Nase, Bronchien und Lunge – zählen Husten, Enge in der Brust und Atemnot. Bei chronischen Erkrankungen verstärken sich die Beschwerden nach und nach. Laut BKK Gesundheitsreport 2010 sind Atemwegserkrankungen mit einem Anteil von mehr als 17 Prozent die zweitwichtigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit.

Infektionen, Umwelteinflüsse wie Luftschadstoffe, das Raumklima und der Lebensstil – Stichwort Rauchen – können zur Entstehung von Atemwegserkrankungen beitragen. Fünf bis zehn Prozent aller Erkrankungen von Lunge und Atemwegen lassen sich aber auch auf Einflüsse am Arbeitsplatz zurückführen: Werden beispielsweise gesundheitsschädliche Partikel wie Feinstaub eingeatmet, kann es zu Reizungen, Entzündungen, allergischen oder sogar toxischen Reaktionen kommen. Genetische Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen, etwa bei der angeborenen und noch nicht heilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose.

 

Chronische Erkrankungen

Zu den besonders verbreiteten chronischen Krankheiten zählt Asthma. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit schätzungsweise 235 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland leiden etwa zehn Prozent der Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen daran. Auch COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease – zu Deutsch: chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder „Raucherlunge“) nimmt weiter zu. Weltweit sind etwa 64 Millionen Menschen daran erkrankt, allein vier Millionen davon in Deutschland. Die Mehrheit der Betroffenen sind Raucher oder Ex-Raucher. Die Krankheit entsteht meist aus einer chronischen Bronchitis durch entzündete und dauerhaft verengte Atemwege. Die Folge: ständig zunehmende Atemnot. Bereits heute ist COPD die vierthäufigste Todesursache weltweit – Tendenz steigend. Laut WHO könnte die Krankheit aufgrund der zunehmenden Zahl an Rauchern bis 2030 auf Platz drei vorrücken. Wird sie nicht oder nur unzureichend behandelt, kann sich ein Lungenemphysem entwickeln – das Gewebe des Organs wird unwiederbringlich zerstört.

 

Therapie und Forschung im Verbund

COPD lässt sich derzeit nur sehr begrenzt therapieren. Auch die Behandlung von Asthma ist nicht vollständig erschlossen. Insbesondere die frühzeitige Diagnose spielt bei den chronischen Erkrankungen eine wichtige Rolle, um einer Verschlimmerung der Beschwerden vorzubeugen. Das Ziel, mehr über Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten zu erfahren, verfolgen mehrere neue, fachübergreifende Zusammenschlüsse aus Wissenschaft und Forschung. Insbesondere Molekularbiologie, Stammzellmedizin und moderne Biotechnik eröffnen der Forschung neue Chancen in Diagnose und Therapie von Atemwegserkrankungen. So wurde 2009 das Kompetenznetz Asthma und COPD ins Leben gerufen, um neue Ansätze für Diagnostik, Prävention und Therapie beider Krankheiten zu entwickeln und auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Neu ist auch das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL), in dem 18 Einrichtungen an fünf Standorten kooperieren, um die Erforschung von Lungenerkrankungen voranzubringen. Forschungsprojekte umfassen Studien mit Patientenkohorten, um Subgruppen der COPD-Erkrankung für eine gezieltere Therapie genauer beschreiben zu können, außerdem die Erforschung von Biohybridlungen („Ersatzlungen“), die apparative Technik und Biotechnik vereinen. „Uns stehen große therapeutische Fortschritte bevor. Die Lungenforschung dürfte sich in den nächsten Jahren rapide entwickeln“, sagt Professor Dr. Werner Seeger von der Universität Gießen, Gesamtkoordinator des DZL. Denkbar seien auch Therapien, die möglicherweise ganz anders aussehen werden als das, was bisher aus der Lungenmedizin bekannt ist.