Anette-Gabriele Ziegler: Diabetes rechtzeitig erkennen

Anette-Grabriele Ziegler Anette-Gabriele Ziegler sucht als Leiterin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München nach einem Diabetes-Impfstoff.

Wenn kleine Kinder zuckerkrank werden, steckt dahinter meist eine Autoimmunerkrankung: der Typ-1-Diabetes. Dabei spielt im Gegensatz zum häufigeren Typ 2 weniger die Ernährung eine Rolle als eine genetische Veranlagung der jungen Patienten. Das Gute dabei: Je früher das Risiko erkannt wird, desto besser sind die Behandlungsmöglichkeiten. Anette-Gabriele Ziegler ist seit mehreren Jahrzehnten auf der Suche nach den Ursachen der Krankheit und hat damit weltweit Anerkennung erworben. Sie ist Sprecherin des Kompetenznetzes Diabetes mellitus und im Vorstand der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG). Seit März 2010 leitet die Medizin-Professorin das neue Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München. Die dortige Infrastruktur ermöglicht es der Diabetes-Spezialistin, neue Forschungsansätze für ihre Spurensuche zu nutzen.

Per Losverfahren kam Anette-Gabriele Ziegler als Medizin-Studentin im Praktischen Jahr (PJ) in die Diabetologie. „Allerdings hat mir die Arbeit im Klinikum Schwabing so viel Spaß gemacht, dass ich noch während meines PJ eine Doktorarbeit über Immunphänomene beim Typ-1-Diabetes begann“. Seitdem hat die heute 53-Jährige diesem Forschungsfeld die Treue gehalten. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung: das körpereigene Immunsystem greift die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse an und zerstört sie nach und nach. Damit fehlt dem Körper zunehmend der Botenstoff Insulin, den er benötigt, um Zucker aus der Nahrung in Energie umzuwandeln, und der Blutzuckerspiegel steigt. Typ-1-Diabetes bricht zumeist schon im Kindesalter aus. Im westlichen Europa sind etwa 0,3% der Bevölkerung von dieser Erkrankung betroffen, in Deutschland sind es rund 11.000 Kinder, bei der Diagnose sind sie durchschnittlich achteinhalb Jahre alt. „Viele Kinder haben allerdings bereits vorher schwere Stoffwechselentgleisungen, je früher diese erkannt werden, desto besser“, sagt Ziegler.

Erste Geburtenkohorte in der Diabetesforschung

Als Anette-Gabriele Ziegler als junge Studentin ans Klinikum Schwabing kam, gab es schon seit 1968 eine Forschungsgruppe Diabetes. Sie schrieb dort ihre Doktorarbeit und trat ihre erste Stelle als Assistenzärztin an. „Richtig los mit der Wissenschaft ging es allerdings erst in den USA“, rekapituliert sie. Zwei Jahre forschte sie als Postdoc an der Harvard Universität in Boston und kam mit einer Idee zurück, über die sie heute noch froh ist. Ihr Professor in den USA sprach immer von drei Phasen: die gesunde Phase der genetischen Empfänglichkeit; der Tag X, an dem die Antikörper im Blut auftauchen und die Entzündung der Bauchspeicheldrüse beginnt; und schließlich die dritte Phase, in der die Bauchspeicheldrüse den Blutzuckerspiegel nicht mehr aufrecht erhalten kann und die Krankheit erkannt wird. „Mir war klar: Ich will den Tag X herausfinden, bevor die Krankheit sichtbar wird“, erzählt sie noch heute mit viel Entschlossenheit in der Stimme. „Und das kann ich nur herausfinden, wenn ich gefährdete Kinder ab der Geburt untersuche.“ Zurück in München hat sie sich an die Arbeit gemacht und Ende der 80er Jahre eine erste Geburtenkohorte von 1650 Kindern zusammengestellt, die seitdem alle drei Jahre untersucht wird. „Es gibt keine Studie, die so lange läuft“, betont Ziegler stolz.

Impfung gegen die Zuckerkrankheit

In der sogenannten Antikörperdiagnostik zählt ihr Labor inzwischen zu den drei erfolgreichsten der Welt. „In der Regel vergehen drei bis fünf Jahre von den ersten Antikörpern im Blut bis zum Diabetes“, erläutert Ziegler. Derzeit arbeitet ihr Institut in einem internationalen Forschungsprojekt daran, eine frühzeitige Impfung gegen Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Erste Untersuchungen in den USA weisen darauf hin, dass die regelmäßige Einnahme geringer Mengen an Insulin das Immunsystem an der Bildung zerstörerischer Autoantikörper hindern kann. Das Insulin dient also nicht dazu, den Blutzucker zu senken, sondern soll wie eine Schutzimpfung das Immunsystem beeinflussen. Unter der Leitung von Anette-Gabriele Ziegler nehmen derzeit rund 40 deutsche Kinder an der Studie teil.

Neue Erkenntnisse aus der Genetik

Sie selbst ist dabei stets in zwei Welten unterwegs: Die Medizinerin hat immer in der Klinik als Ärztin gearbeitet und gleichzeitig geforscht. Ursachenforschung und Behandlung liefen parallel, keines von beidem will sie missen: „Wurde mal eine Publikation von einer wissenschaftlichen Zeitschrift abgelehnt, freut einen auf der anderen Seite zum Beispiel der Dank und die Anerkennung eines Patienten.“ Die neue institutionelle Einbettung ihrer Forschung in das Helmholtz-Zentrum München weiß die Medizinerin sehr zu schätzen. Gleiches gilt für ihre Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, das Ende 2010 seine Arbeit aufgenommen hat. Diese Vernetzung erleichtere es ihr, mit ihren Mitarbeitern immer neue Forschungsansätze in die Diabetologie einzubinden. Mit Hilfe der Gen-Sequenzierung hat eines ihrer Teams zum Beispiel neue Marker zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes entdeckt. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass bestimmte Varianten eines Gens das Diabetesrisiko erhöhen. Untersucht wurde hierfür übrigens auch das Erbgut von Kindern aus der Geburtenkohorte, die Anette-Gabriele Ziegler bereits 1989 zusammengestellt hatte – eine Fundgrube, die die Forscherin auch künftig weiter nutzen will.

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