Gesucht: Der Schlüssel zu Diabetes

Prof. Al-Hasani

Wer Diabetes auf der Spur ist, braucht viel mehr als nur ein Blutzuckermessgerät. Um die komplexe Zuckerkrankheit zu ergründen, muss man in die Bausteine des Lebens eindringen, Stoffwechselmoleküle bestimmen oder neue Diabetes-Gene. Denn bislang ist die große, teure Volkskrankheit Diabetes zwar leicht zu diagnostizieren – aber erst wenn es bereits zu spät ist. Sie ist schwer zu lindern und kaum zu heilen.

Um die Frage zu beantworten, warum manche Menschen Diabetes entwickeln und andere nicht, untersuchen Forscher detaillierteste Vorgänge im Körper. Ab wann kann der Körper den Zucker nicht mehr ausreichend aus dem Blut aufnehmen und verstoffwechseln? Ab wann produziert er immer mehr Insulin in den Betazellen (besondere Zellen in der Bauchspeicheldrüse), ab wann gehen diese Zellen zugrunde?

Die Genforschung kann bislang nicht alle Fragen beantworten – trotz aller Fortschritte in der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes. „Das eine Diabetes-Gen, das alles entscheidet, gibt es nicht“, sagt Prof. Hadi Al-Hasani, Direktor des Instituts für Klinische Biochemie und Pathobiochemie am Deutschen Diabetes-Zentrum der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Selbst das Super-Diabetes-Gen, das Gen „TCF 7L2“, das nach bisherigen Erkenntnissen die höchste Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung mit sich bringt, leiste nur einen kleinen Beitrag zur Erkrankung.

„Es gibt viele Faktoren, die Blutzucker und Körpergewicht regulieren“, sagt Al-Hasani. Wenn man weiß, warum die Betazellen nach einer Zeit der erhöhten Insulinproduktion untergehen und der Blutzucker entgleitet, könnte man rechtzeitig gezielt einschreiten.“ Doch weil der Fett- und Zuckerstoffwechsel ein sehr kompliziertes Regelwerk ist und es nicht reicht, an einer einzelnen Schraube zu drehen, gibt es gegen Diabetes bislang kaum Medikamente.

Auch Annette Schürmann, Professorin für Experimentelle Diabetologie beim Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE),Partner des Wissenschaftsjahres Gesundheitsforschung, bestätigt: „Die meisten genetischen Ursachen kennen wir noch nicht.“ Die knapp 50 Gene, die bislang für Diabetes und für Adipositas entdeckt wurden, erklärten nur fünf bis zehn Prozent der vererbten Anlagen für diese Erkrankungen.

Es sind nicht die Gene allein - aber es ist auch nicht der Lebensstil allein. Natürlich sei es vorteilhaft, gesund zu essen und sich viel zu bewegen, sagt Prof. Al-Hasani. „Es wäre allerdings falsch, zwischen Genen und Lebensstil zu trennen. Wir glauben, dass es sich um ein Netzwerk handelt, mit steter Interaktion.“ Doch dieses Netzwerk erweist sich als komplizierter als erwartet.

Zwar tritt Diabetes häufig in Verbindung mit Übergewicht auf, aber längst nicht alle Übergewichtigen werden Diabetiker. „Es gibt auch fettleibige Menschen mit Insulinresistenz, die trotzdem nie einen Diabetes entwickeln“, sagt Annette Schürmann. Selbst bei genetischer Belastung lasse sich die Krankheit durch ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung hinauszögern oder verhindern. Und auch wer ein Diabetes-Gen in sich trägt, erkrankt nicht automatisch. Weitere Gene zu identifizieren, müsse bei der Diabetes-Ursachen-Forschung nicht unbedingt zum Ziel führen. „Vielleicht müssen wir auf seltenere Genvarianten schauen anstatt auf die häufigen“, sagt Al-Hasani. „Aber vielleicht müssen wir uns auf andere biologische Parameter konzentrieren.“

Forscher wie Prof. Martin Hrabé de Angelis vom Helmholtz Zentrum München arbeiten zum Beispiel daran, möglichst viele Stoffwechselmoleküle zu erfassen, also zum Beispiel Fette oder Aminosäuren. Kürzlich konnten de Angelis und seine Kollegen einen Biomarker identifizieren, mit dessen Hilfe nun Wirkstoffe an einem Diabetes-relevanten Protein getestet werden können. „Das Protein FABP 4 könnte ein vielversprechendes Zielprotein sein für neue Medikamente zur Behandlung von Diabetes und Arteriosklerose“, sagt Prof. Hrabé de Angelis.

Doch die Suche ist noch lange nicht beendet. Auch hier ist erst ein kleiner Teil entschlüsselt. Langfristiges Ziel der Forschung ist es, Patienten mit einem hohen Risiko für Diabetes zu finden, bevor die Krankheit manifest wird, und aus den Erkenntnissen eine Therapie abzuleiten und die schwerwiegenden Folgeerkrankungen abzumildern. Möglicherweise, sagt Annette Schürmann, „lassen sich mit Hilfe unserer Erkenntnisse neue Medikamente entwickeln, die mit Enzymen oder Proteinen interagieren.“ Diese Medikamente sollen effektiv, zielgenau und vor allem nebenwirkungsarm helfen.

Weitere Informationen zu diesen Themen bietet das Portal www.forschung-fuer-unsere-gesundheit.de, wo auch viele Angebote der Partner des Wissenschaftsjahres Gesundheitsforschung zu finden sind. Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD). Seit 2000 dienen die Wissenschaftsjahre als Bühne für den Austausch zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft entlang ausgewählter Themen und haben dabei vor allem junge Menschen im Blick. Der Erfolg der Wissenschaftsjahre basiert auf der Beteiligung zahlreicher Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur in ganz Deutschland.


Mehr Informationen zur Diabetes-Forschung: Kompetenznetz Diabetes, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Zum Deutschen Zentrum für Diabetes-Forschung (DZD)

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