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Wir leben länger. Verändert sich dadurch auch unser individueller Lebensrhythmus?

Museum für Naturkunde, Berlin

Sauriersaal im Museum für Naturkunde.
Sauriersaal © Museum für Naturkunde

"Demografischer Wandel" spiegelt nicht Veränderungen im Leben einzelner Personen wider, sondern Veränderungen in den Lebensumständen der Gesamtheit aller Angehörigen einer Gemeinschaft. Es geht also beispielsweise gar nicht darum, dass ich selbst heute eine höhere Lebenserwartung habe als noch vor zehn Jahren, sondern darum, dass ich vermutlich länger lebe als jemand anderes, der vor zehn Jahren ‚in meiner Situation‘ war. Nur weil ‚wir‘ älter werden, werde nicht ‚ich‘ plötzlich älter: Durch den feststellbaren demografischen Wandel ändert sich an meinem persönlichen Lebensrhythmus also… erst einmal gar nichts.

Gadus morhua Kabeljau
Gadus morhua © Museum für Naturkunde

Im Vergleich mit einem passenden Angehörigen einer früheren Generation führen wir aber wahrscheinlich schon ein anderes Leben, unter anderem leben viele von uns in einem anderen Rhythmus. Veranschaulichen kann das ein Beispiel aus dem Forschungsgebiet der Wissenschaftler des Museums für Naturkunde, nämlich aus der Tierwelt: Heutzutage ist ein durchschnittlicher Kabeljau oder Dorsch (Gadus morhua) nicht nur kleiner, sondern auch früher geschlechtsreif als ein Artgenosse, der vor hundert Jahren lebte.

Die Gründe dafür sind beim Menschen zu suchen: Der Kabeljau ist eine seit Jahrhunderten befischte Art, deren große Populationen seit jeher eine wichtige Proteinquelle für fast alle seefahrenden und fischereitreibenden Nationen der westlichen Nordhalbkugel waren. Mit einer verhältnismäßig frühen möglichen Geschlechtsreife im Alter von je nach Population und Lebensraum 2-4 Jahren und einer hohen Fruchtbarkeit von über 2 Mio. Eiern bei großen Weibchen, hatten sie der zunehmend technisierten und intensivierten Befischung anscheinend bis in die 1950er Jahre einigermaßen gut widerstanden. Als jedoch in den 70ern jährlich rund 800.000 Tonnen Dorsch angelandet wurden, reduzierten sich die einst riesigen Bestände – und damit die Fangerträge – in der Folge dramatisch. Trotz des dadurch ausgelösten Niedergangs der Dorschfischerei waren in den 1990ern einige Populationen sogar völlig zusammengebrochen.
Eine Erholung der Bestände scheint bis heute auch unter restriktiveren internationalen Fangbegrenzungen nicht oder nur sehr langsam stattzufinden. Alte, große Kabeljaue wie die von einst, also Exemplare, die fast 2 m lang sind und über 80 kg auf die Waage bringen, sind auch heute noch nicht wieder zu finden. Im Allgemeinen geben die Statistiken heute für die Länge eines ausgewachsenen, geschlechtsreifen Kablejaus etwa 63cm.

Prof. Dr. Johannes Vogel:

Im Museum für Naturkunde Berlin finden wir Antworten auf viele der Grundfragen, die jeden Einzelnen von uns betreffen: Artenvielfalt- und Verlust, Klimawandel, Rohstoffe, Energie…Besuchen Sie uns also im Haus des Lebens und der Zukunft und werden Sie in unseren Ausstellungen selbst zum Forscher.

Generaldirektor Prof. Dr. Johannes Vogel, PhD

In jüngerer Zeit sind viele der Begleitphänomene dieses „evolutionsbiologischen Experiments der unkontrollierten Überfischung“ erforscht worden. Zum einen ist etwa die Umkehr der Nahrungspyramide zu beobachten: Verkürzt gesagt führen weniger Kabeljaue zu einer größeren Häufigkeit ihrer Hauptbeutetiere (wie Hering, Lodde und verschiedene Krebs- und Garnelenarten), welche wiederum die Eier und Larven der Kabeljaue effektiv dezimieren. Noch bemerkenswerter ist aber, dass sich in der Folge der fischereibedingten Selektion in wenigen Jahrzehnten der Lebenszyklus des Dorschs drastisch verändert hat: Nicht nur ist der durchschnittliche geschlechtsreife Kabeljau heute mehrere Zentimeter kleiner und bis zu einem Jahr jünger als zuvor, sondern es wurden früher überhaupt keine derart ‚frühreifen‘ Exemplare gefunden. Die Schlussfolgerung: Die Kabeljau-Populationen haben sich anscheinend genetisch an Vermarktung, Netzmaschenweiten und Langleinenköder angepasst – moderne Dorsche leben ihr Leben quasi auf der Überholspur.

Doch was bedeutet die veränderte Lebenserwartung bei uns Menschen? Kann man sie etwa auch bei uns in direkte Beziehung zur Generationsdauer setzen und auf bestimmbare soziale Faktoren zurückführen? Noch ist weitere Forschung vonnöten...


Steckbrief Museum für Naturkunde, Berlin

Anzahl der Exponate

30.000.000 in den wissenschaftlichen Sammlungen

Besondere Highlights

Neben den zoologischen, paläontologischen und mineralogischen Sammlungen beherbergt das Museum für Naturkunde Berlin ein Tierstimmenarchiv und eine Sammlung historischer Bücher und Briefe in der Historischen Arbeitsstelle und den Bibliotheken. In den Ausstellungen sind die Highlights u.a.:

  • Das aus Tendaguru in Tansania stammende Skelett des Brachiosaurus brancai. Es ist mit 13,27 Metern das größte montierte Dinosaurierskelett der Welt.
  • Meisterwerke der Präparation wie den in den 1930er Jahren im Berliner Zoo verstorbenen Gorilla Bobby oder den beliebten Eisbären ‚Knut’, der bis zum 8.5.2013 noch zu sehen ist.
  • Die Biodiversitätswand, die mit mehr als 3000 präparierten Tierarten zwar nur einen kleinen Einblick über die geschätzte Vielfalt von 4 bis 40 Millionen Arten weltweit gibt, doch schon dieser „Schnappschuss“ zieht den Besucher mit der Fülle an Formen und Farben in ihren Bann.
  • Ausstellung „Zukunft leben: Die demografische Chance“
    Ausstellung „Zukunft leben: Die demografische Chance“ © Museum für Naturkunde
  • Der Ausstellungssaal "Evolution in Aktion" stellt ausgewählte Mechanismen der Evolution vor. Wie entstehen zum Beispiel Arten oder Was ist Selektion? Was Artenvielfalt ist zeigt die Biodiversitätswand mit ca. 3000 präparierte Tierarten auf einen Blick. Nur ein kleiner Teil, wenn man bedenkt, dass die weltweite Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten zwischen 4 und 40 Millionen geschätzt wird.
    Biodiversitätswand © Museum für Naturkunde
  • Nassammlung im Museum für Naturkunde
    Nasssammlung © Museum für Naturkunde
  • Plastik von Eisbär Knut im Museum für Naturkunde
    Plastik von Eisbär Knut © Museum für Naturkunde
  • Außenansicht Museum für Naturkunde im Herbst
    Museum für Naturkunde im Herbst © Museum für Naturkunde

Öffnungszeiten

   
Di. – Fr. 9.30 – 18.00 Uhr
Sa./So./Feiertag 10.00 – 18.00 Uhr
Mo. geschlossen

Adresse

Museum für Naturkunde
Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Invalidenstraße 43
10115 Berlin
Deutschland

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