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Wir werden vielfältiger. Was wissen wir über „Fremde“ in vergangenen Gesellschaften?

Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz

Ausstellung frühes Mittelalter
Ausstellung frühes Mittelalter © Rene Müller / Volker Iserhardt

Die Vielfalt in einer Gesellschaft ist eng mit Migration verbunden, also damit, dass Menschen ihre Heimat verlassen und sich an einem anderen Ort niederlassen. Dort werden sie als „Fremde“ wahrgenommen und von den Alteingesessenen in Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufmerksam in Augenschein genommen: Hautfarbe, Sprache, Kleidung, religiöse Vorstellungen, Rollenbilder, aber auch Alltägliches wie Essen und Trinken. Derart gemustert werden nicht nur Zugezogene aus weit entfernten Gegenden, sondern auch „Fremde“ aus dem Nachbarort.

Migration hat es immer gegeben und war Motor für Wandel in menschlichen Gesellschaften. Die Beziehung von Migration und Gesellschaftswandel ist eine zentrale Frage archäologischer Forschung. Kaum ein anderer historischer Zeitraum ist so stark mit dramatischen Vorstellungen von Migration verbunden wie die „Völkerwanderungszeit“ (5./6. Jh. n. Chr.): Die mit Pfeilen übersäte Europakarte ist als Abbildung der „Wanderungen“ von Hunnen, Goten und Vandalen fest in Schulbüchern und im gemeinsamen Geschichtsgedächtnis verankert.

Falco Daim

Zu- und Abwanderung von Menschen löste auch in antiken und frühmittelalterlichen Gesellschaften vielfältige Anpassungs- und Transformationsprozesse aus. Im Römisch-Germanischen Zentralmuseum spiegeln sich solche oft überraschend großräumigen Vorgänge in Exponaten aus ganz Europa, dem Vorderen Orient und Nordafrika.

 Generaldirektor Prof. Dr. Falko Daim

Die Migration Einzelner wie auch die von größeren Personenverbänden werden archäologisch untersucht. Sie hat in den materiellen Hinterlassenschaften dieser Zeit viele Spuren hinterlassen. Üblicherweise ähneln sich die in einem Gebiet gefundenen Trachtenbestandteile und Schmuckstücke, wodurch sich eine Art „Stil-Landkarte“ ergibt. „Fremde“ Frauen und Männer unterschieden sich in Details ihrer Kleidungsbestandteile und Ausrüstung, aber auch in der Art und Weise der Bestattung von dem, was in der Region jeweils als typisch, als „einheimisch“, erkannt wurde. Entsprechende Funde können also auf einen Ortswechsel ihres Besitzers hinweisen. Die Botschaft der Funde ist allerdings nicht eindeutig. Sie geben die Identität der Männer und Frauen nur ausschnitthaft und vielleicht verzerrt preis.

Im Idealfall erschließen sich aus der Kombination von Objekten, aus Raumbeziehungen in den Gräberfeldern, in denen sie gefunden wurden und aus den Grabformen Anpassungsprozesse und damit Wirkungen der Umwelt auf die Fremden und Wirkungen der Fremden auf ihre Umwelt.

Goldener Siegelring aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich
Siegelring aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich © Volker Iserhardt

Der fränkische König Childerich verkörpert einen Anpassungsprozess auf der Ebene der Elite. Als er im Jahr 482 n. Chr. in Tournai (Belgien), der Hauptstadt der römischen Provinz Belgica, verstarb, wurde er mit den für einen Angehörigen der germanischen Eliten typischen Waffen und Trachtbestandteilen unter einem großen Grabhügel bestattet. Pferde wurden aus diesem Anlass getötet und am Hügelrand begraben. Auf seinem Siegelring wird der Verstorbene einerseits mit den langen Haaren eines germanischen Königs, andererseits mit Schuppenpanzer und Militärmantel zugleich als römischer Feldherr dargestellt. Die lateinische Inschrift des Ringes „CHILDERICI REGIS“ – „[Ring] des Königs Childerich“ betont, in der Sprache der Römer, seine germanische Königswürde.

Wie andere germanische Einwanderer bildeten die Franken im Zielgebiet ihrer Migration eine Minderheit. Sie übten dort jedoch die Herrschaft aus – eine Rolle, die aus ihrer militärischen Stärke und der Übernahme römischer Herrschaftsinstrumente und -legitimation hervorging. Interessant zu wissen wäre, ob diese Situation Spannungen im alltäglichen Zusammenleben von alteingesessenen Stadtbewohnern und zugezogenen Franken hervorrief – doch auf solche immateriellen Dinge kann genau wie bei der Migration nur indirekt und damit unsicher geschlossen werden und wir wissen darüber nur sehr wenig.

Einen breiten Überblick über die materielle Kultur der Völkerwanderungszeit und des Frühen Mittelalters geben die Sammlungen des RGZM im Kurfürstlichen Schloss.

Datenbank des Forschungsprojektes "Fremde im Frühmittelalter in Europa"


Steckbrief Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz

Anzahl der Exponate

Ca. 3500 (die vorgeschichtliche Abteilung ist derzeit geschlossen)

Besondere Highlights

  • „Mainzer Himmelsglobus“. Ein Zeugnis antiker Kosmologie (römische Abteilung)
  • Originalgetreue Rekonstruktionen von Thronen weltlicher und kirchlicher Würdenträger (frühmittelalterliche Abteilung)

  • Himmelsglobus
    Himmelsglobus, Rekonstruktion, Kupfergalvano, vergoldet © Sabine Steidl
  • Himmelsglobus, Bronze
    Himmelsglobus, Bronze © Volker Iserhardt
  • Goldener Armring aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich
    Armring aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich © Volker Iserhardt
  • Spatha mit Scheide aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich
    Spatha mit Scheide aus dem Grab des Frankenkönigs Childerich © Volker Iserhardt

Öffnungszeiten

   
Di. – So. 10.00 – 18.00 Uhr
Mo. geschlossen

Adresse

Römisch-Germanisches Zentralmuseum
im Kurfürstlichen Schloss
Ernst Ludwig Platz 2
55116 Mainz
Tel.:06131-9124-0
service@rgzm.de

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