Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Umfrage: Digitalisierung und Sprache

Sprachwissenschaftler sehen die Digitalisierung als Bereicherung für den Wortschatz der Deutschen

Drei Jugendliche sitzen auf der Wiese und unterhalten sich.
Digitale Medien führen dazu, dass mehr kommuniziert wird. © shutterstock/aslysun

Die zunehmende digitale Kommunikation hat positive Einflüsse auf die deutsche Sprache. Dies zeigt eine im Auftrag des Wissenschaftsjahres 2014 – Die digitale Gesellschaft durchgeführten repräsentativen Expertenumfrage unter Sprachwissenschaftlern. Insbesondere der Wortschatz werde durch die vermehrte Nutzung digitaler Medien reicher, meint die Mehrheit der 100 befragten Linguisten (44 %).

Die Digitalisierung bereichert die deutsche Sprache

Die Experten widersprechen damit Kritikern, die einen Verfall der deutschen Sprache befürchten. "Durch digitale Medien verfällt die Sprache nicht, sie entwickelt sich weiter und wird vielseitiger", meint auch Prof. Dr. Heike Wiese, Professorin für die Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam und Sprecherin des Zentrums Sprache, Variation und Migration. 68 Prozent der befragten Sprachwissenschaftler beurteilen den Einfluss der Digitalisierung auf die deutsche Sprache insgesamt als groß. Jüngere Linguisten schätzen diesen Einfluss tendenziell bedeutsamer ein. Laut Experten führt die digitale Kommunikation dabei vor allem zu mehr Wortschöpfungen (26 %).

Zwei Kinder kommunizieren miteinander
© shutterstock/pio3

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Kommunikation von Kindern und Jugendlichen beurteilen die Linguisten hingegen ambivalent: Die Mehrheit der Experten beobachtet sowohl positive als auch negative Einflüsse auf die Schreibkompetenz (34 %) und sprachliche Ausdrucksfähigkeit junger Menschen (32 %).

Tendenz: Die Deutschen kommunizieren informeller

Zudem identifizierten die Experten der Umfrage einen neuen Trend: Durch die zunehmende digitale Kommunikation wird der Umgangston im beruflichen Umfeld informeller – davon gehen 69 Prozent der befragten Sprachwissenschaftler aus. 

Hintergrund

Die vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführte repräsentative Expertenumfrage stützt sich auf computergestützte Telefoninterviews mit insgesamt 100 Sprachwissenschaftlern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland. Die Interviews wurden Ende November 2014 durchgeführt.

Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD). Zahlreiche Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen das Jahr mit eigenen Aktivitäten. Das Wissenschaftsjahr 2014 - Die digitale Gesellschaft fördert den Austausch zwischen Öffentlichkeit und Forschung zu den Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels.

Expertenstimmen zum Thema

"Kommunikationsmöglichkeiten wie SMS, Chat, E-Mail, Facebook, Twitter, etc. haben dazu geführt, dass mehr Menschen mehr privat schreiben und lesen als vermutlich je zuvor – also auch Menschen, die aufgrund ihrer Bildung bzw. Berufstätigkeit ohne digitale Medientechnik eher wenig Kontakt mit der Schriftsprache hätten. Die Lese- und Schreibdidaktik könnte sich die ständige Konfrontation von Kindern und Jugendlichen mit Schrift zu Nutzen machen. Es ist falsch zu glauben, dass "das" Internet oder das Handy der Schreibkompetenz der Jugendlichen schadet."                                               


Georg Albert, Germanistikdozent an der Universität Koblenz-Landau                     

© Steffi Loos

Jugendliche können zwischen verschiedene Textarten wie SMS, mündlicher und geschriebener Sprache einfach switchen. Durch digitale Medien verfällt die Sprache nicht, sie entwickelt sich weiter und wird vielseitiger."          

Heike Wiese, Professorin für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam und Sprecherin des Zentrums Sprache, Variation und Migration

"Die Auswirkungen digitaler Medien dürften weniger im Sprachsystem (Grammatik usw.) zu suchen sein als im faktischen Sprachgebrauch sowie langfristig bei sprachlichen Normen. Eine Tendenz sehe ich im zunehmenden Gebrauch informeller/nähesprachlicher Formen auch im öffentlichen Sprachgebrauch, was grundsätzlich mit einer Tendenz zur Informalisierung einhergehen könnte. Gleichwohl ergeben sich daraus potentielle Normkonflikte, wie die Untersuchung studentischer E-Mails zeigt."           

Jan Seifert, Sprachwissenschaftler an der Universität Bonn