Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Und jetzt, Journalismus?

Wie sich die Berichterstattung im 21. Jahrhundert verändern muss

Kann heute jeder Journalist sein? Für welche Inhalte zahlen Leser Geld? Was kann der klassische Journalismus von Buzzfeed und anderen auf soziale Netzwerken ausgerichteten Onlineportalen noch lernen? Klar ist, der Journalismus erfährt derzeit einen radikalen Wandel und Medienmacher müssen sich ändern, um auch künftig noch Geld zu verdienen.

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Ein Blogbeitrag von Lisa Altmeier

Früher war ein Journalist ein Niemand, wenn er nicht bei einem tollen Verlag arbeitete. Verlage hatten die Technik, um hochwertige Printprodukte zu produzieren, und die Verbreitungswege, um diese im ganzen Land zu verteilen. Das hat sich geändert. Wir Journalisten können heute viel unabhängiger von Verlagen arbeiten - können Texte, Fotos, Videos, Audios dank der Digitalisierung selbst schnell produzieren und verbreiten. Dabei entstehen allerdings neue Abhängigkeiten: Statt von den großen Verlagshäusern abhängig zu sein, sind wir auf Google, Facebook und Twitter angewiesen. Früher stellte also der Verlag die Infrastruktur, heute machen das zunehmend Internetkonzerne.

Das verändert den Journalismus und seine Akteure. Journalist ist kein geschützter Beruf, dementsprechend kann sich jeder so nennen. Jeder darf Journalist sein - das ist nichts Neues. Neu ist aber, dass es heute dank der Digitalisierung auch nahezu jeder sein kann. Berufsjournalisten haben im Gegensatz zu den meisten Hobbyjournalisten jedoch eher die Möglichkeit, Zeit und Geld in Recherchen zu investieren. Das bringt eine gewisse Verantwortung mit sich: So sollten sie auch da recherchieren, wo es keinen Spaß macht, und auch Themen angehen, über die nicht fünf andere Medien zeitgleich berichten.

Schon jetzt erleben wir, dass Journalisten nicht mehr so stark wie früher als Autoritäten wahrgenommen werden. Im Netz findet sich schnell zu jeder Meinung eine Gegenmeinung und Informationen können mit wenigen Klicks überprüft werden. Das ist ein Vorteil für Journalisten, weil es die eigene Recherche erleichtert - aber auch ein Nachteil, weil es die Nachrichtenaufbereitung banalisiert. "Das, was dieser blöde Journalist kann, kann ich auch" schlägt einem vor allem in den Kommentarspalten von Nachrichtenseiten oder auf Facebook entgegen. Das jetzt schlicht als Pöbelei abzutun, wäre zu einfach.

Lesenswert, auch nach fünf Jahren noch

Viel eher müssen sich die Journalisten dem Wandel stellen und in Zukunft besser erklären, was sie als Profis ausmacht, wofür sie stehen - und wieso man ihnen vertrauen sollte. Leser wollen wissen: Wer recherchiert da eigentlich für mich? Was ist sein beruflicher Hintergrund? Wie kommt der Journalist zu seinem Urteil? Etablierte Medien sollten deshalb auch gerade Quereinsteiger, die zum Beispiel über Blogs ihr Publikum gefunden haben, endlich ernst nehmen. Im Idealfall arbeiten Blogger und Journalisten zusammen und nicht gegeneinander.

Dasselbe gilt für Leser und Journalisten: Arbeitet man eng mit den Nutzern zusammen, wird schnell deutlich, dass diese sich viel längerfristig für Themen interessieren, als in den meisten Redaktionen angenommen wird. Kaum jemand will drei Wochen lang jeden Tag mit einem Thema zugeballert werden, das dann plötzlich verschwindet und nie wieder gesehen wird. Auch die aktuelle Berichterstattung muss sich deshalb insgesamt entschleunigen. Denn langfristig ist es cleverer, Themen so aufzubereiten, dass ein Text nicht nur zwei Stunden nach Erscheinen lesenswert ist, sondern auch fünf Jahre später noch einen Mehrwert bietet. Für einen solchen Mehrwert zahlen die Leser im Übrigen auch eher Geld. 

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Neue spielerische Formate

Lange wurde gar nicht erst versucht, Geld für Journalismus im Internet zu verlangen. Krautreporter und andere journalistische Crowdfunding-Projekte verdeutlichen aber unabhängig von ihrer Qualität zwei wesentliche Erkenntnisse: Viele Menschen sind 1. bereit, Geld für aufwendige Inhalte zu zahlen und sich 2. auch inhaltlich in journalistische Recherchen einzubringen. Allerdings muss diesen Menschen auch mehr geboten werden als früher. Deshalb ist jetzt die Zeit, um neue Formen zu finden. Heute wird aufgebaut, was in zehn Jahren wichtig ist. Von neuen Medien wie zum Beispiel Buzzfeed können wir lernen, dass es sich lohnt, mit Mut in neue Darstellungsformen zu investieren. Dies müssen keine technisch hochkomplexen Multimediastorys sein. Das heißt aber auch nicht, dass alle Medien plötzlich wie Buzzfeed ("14 idiotensichere Plätzchenrezepte") nur noch Listen produzieren sollten. Das nervt dann eher. Aber es bedeutet, dass Verlage und Journalisten sich häufiger eigene spielerische Formen ausdenken könnten. Die gibt es zwar schon länger, zum Beispiel das hervorragende Format "Sagen Sie jetzt nichts" vom SZ Magazin. Aber jetzt haben wir auch durch neue technische Tools die Möglichkeit, Journalismus noch mal ganz neu und vor allem in ganz neuen Formaten zu denken.

Zur Person

Lisa Altmeier ist Journalistin und Mitbegründerin des Projekts Crowdspondent. Sie hat die Deutsche Journalistenschule in München absolviert und arbeitet heute unter anderem für den "Bayerischen Rundfunk". Crowdspondent ist ein Onlinemagazin, bei dem die Leser mitbestimmen, zu welchen Themen die Autoren recherchieren und schreiben sollen. Altmeier betreibt das Projekt zusammen mit Steffi Fetz. Gemeinsam wurden die beiden 2013 vom "Medium Magazin" im vergangenen Jahr unter die "Top 30 bis 30" Journalisten gewählt.