Chronik: EHEC und die Suche nach dem Erreger

Topographical images of colonies of E. coli O157:H7 strains, © USDA (Pina Fratamico Microbiologist/Lead Scientist)

Anfang Mai werden dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin vermehrt blutige Durchfallerkrankungen gemeldet. Die Ursache ist schnell ausgemacht: EHEC, die aggressive Variante des Darmbakteriums E. coli. Experten datieren den frühesten Beginn der Erkrankung auf den 1. Mai zurück. Danach beginnt die bundesweite Jagd nach dem Erreger. Mediziner, Mikrobiologen, Hygieniker und Infektiologen arbeiten gemeinsam an einer Lösung.

21. Mai: Angesichts der rasch zunehmenden Zahl schwerer Darminfektionen durch EHEC mahnen die Gesundheitsbehörden in Norddeutschland zu größter Vorsicht und Hygiene. Woher der Erreger kommt, weiß niemand. Die Experten suchen fieberhaft nach der Quelle. Das Robert Koch-Institut (RKI) vermutet, dass der Erreger durch rohes Gemüse übertragen wird und nicht durch Fleisch oder Rohmilch.

23. Mai: Die ersten Todesopfer infolge einer EHEC-Infektion werden gemeldet, betroffen sind vor allem die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Ungewöhnlich viele Patienten müssen stationär behandelt werden, weil sie am hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) leiden, das schwere Funktionsstörungen der Niere verursacht. Untypisch ist auch, dass vor allem junge Frauen betroffen sind. Deutschlandweit gibt es mehr als 400 bestätigte Fälle und Verdachtsfälle. Mit Eingang der ersten Patientenproben beginnen Wissenschaftler der Nationalen Zoonosenplattform umfangreiche Analysen.

25. Mai: Am  Münsteraner Universitätsklinikum ist es gelungen, den Ausbruchsstamm zu identifizieren. Es handelt sich um den Typ HUSEC 41. Er ist sehr aggressiv und zudem resistent gegen Penicillin und viele andere Antibiotika.

26. Mai: Eine erste Infektionsquelle scheint gefunden: Der Erreger wird auf dem Großmarkt in Hamburg an Salatgurken aus Spanien nachgewiesen. Diese werden umgehend aus dem Sortiment der Supermärkte genommen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind beunruhigt. Statt zu frischem Gemüse greifen sie lieber zu Tiefkühlkost und Konserven. Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser und Kindergärten streichen fragliche Gemüse und Salate von ihrem Speiseplan.

29. Mai: Die Zahl der Todesopfer steigt, die Warnung vor dem Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat gilt weiterhin. Das Forscherteam aus Münster entwickelt einen EHEC-Schnelltest, der eine Infektion innerhalb von vier Stunden nachweisen oder ausschließen kann. Dieser wird bundesweit an alle klinischen Labors verschickt, so dass bei verdächtigen Durchfallerkrankungen schnellstmöglich festgestellt werden kann, ob der gefährliche Erreger Schuld ist oder nur eine harmlose E. coli-Variante.

30. Mai: Die Hamburger Gesundheitsbehörden teilen mit, dass der an den Gurken gefundene EHEC-Erreger nicht mit dem bei Erkrankten identifizierten übereinstimmt. Auf der Homepage www.ehec.org wird die Laborinformation des Universitätsklinikum Münster veröffentlicht, so dass alle Labors, die bei Verdacht auf den Erreger einen Schnelltest vornehmen möchten, Zugriff auf die Information haben. Der Test eignet sich für Stuhlproben und Lebensmittel. Elf Tote und mehr als 1.200 Verdachtsfälle werden in Deutschland gezählt.

1. Juni: Die EU hält ihre Warnung vor spanischen Gurken nicht mehr aufrecht. Bei der Suche nach der Ursache der EHEC-Verbreitung stochern die Experten weiter im Nebel.

4. Juni: Eine heiße Spur führt nach Lübeck. 17 Menschen, die dort in einem Restaurant gegessen haben, sind infiziert, eine Frau stirbt. Das Restaurant wird geschlossen. Die Experten warten auf die Testergebnisse. Doch die Proben bestätigen den Verdacht nicht.

5. Juni: Das niedersächsische Gesundheitsministerium teilt mit, dass der gefährliche Erreger womöglich über Sprossen aus einem Betrieb im Kreis Uelzen verbreitet wurde. Das RKI und das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) weiten ihre Verzehrwarnung auf Sprossen aus. Eine erste Probe der Sprossen aus Bienenbüttel bei Uelzen ergibt kein Ergebnis.

8. Juni: Noch immer gibt es keinen klaren Befund, EHEC bringt viele Kliniken an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Unterdessen finden Ermittler in einer Mülltonne in Magdeburg den EHEC-Erreger. Zugleich verdichten sich die Hinweise, dass die Sprossen aus dem niedersächsischen Bienenbüttel eine Quelle für die Epidemie sein könnten.

10. Juni: In NRW wurden EHEC-Bakterien des aggressiven Typs O104 auf Sprossen gefunden. Sie stammen aus dem verdächtigen niedersächsischen Betrieb. Die geöffnete Packung habe sich in der Mülltonne eines Haushalts in Königswinter befunden. Zwei dort lebende Familienmitglieder waren schwer erkrankt. Die Behörden heben die Warnung vor dem Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat auf.

11. Juni: Die epidemiologische Untersuchung bestätigt, dass der an den Sprossen gefundene EHEC-Erreger  vom gleichen Typ ist wie der Darmkeim, der bei erkrankten Menschen gefunden wurde. Einen Tag später raten das Bundesamt für Risikobewertung und das Robert-Koch Institut (RKI) auch vom Verzehr selbst gezogener Sprossen ab. Grund: Der Erreger könnte sich im Saatgut befinden.

14. Juni: Die Zeichen stehen auf leichter Entwarnung, denn Experten gehen davon aus, dass die EHEC-Epidemie ihren Höhepunkt überschritten hat. Das RKI meldet einen Rückgang der Neuerkrankungen und weniger Diagnosen des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS).

16. Juni: Trotz abflauender EHEC-Welle steigt die Zahl der Todesopfer weiter an. Mittlerweile seien 38 Menschen an den Folgen von EHEC oder HUS gestorben, teilte das RKI in Berlin mit.

23. Juni: Das Forschungsteam um Helge Karch veröffentlicht umfangreiche Forschungsergebnisse zu 80 Patienten, die aus 17 deutschen Städten stammen und während der Epidemie dieses Jahres isoliert wurden. Auch wenn damit ein wichtiger Schritt zum Verständnis des Erregers getan sei, gelte es weiterhin, noch viele unbeantwortete Fragen zu klären, so Karch.

 

Weitere Artikel:

Interview mit Veterinärmediziner Lothar H. Wieler

Forsa-Umfrage: Wie die Deutschen mit EHEC umgehen

Infektionskrankheiten erfordern breit aufgestellte Forschung

EHEC im Fokus der Gesundheitsforschung

 

Weitere Informationen:

Bundesforschungsministerium
Alles zum Thema Gesundheitsforschung im Bereich Infektionskrankheiten und Entzündungen stellt das Bundesforschungsministerium bereit:
Infektionskrankheiten und Entzündungen

 

Bundesgesundheitsministerium / Robert Koch Institut
Allgemeine und aktuelle Informationen finden Sie unter: 
Allgemeine EHEC-Informationen
Aktuelle Empfehlungen

 

Biotechnologie.de
Unser Partner biotechnologie.de berichtet aktuell aus der Forschung, etwa vom Institut für Hygiene am Universitätsklinikum Münster: 
Infektionsforscher jagen das EHEC-Bakterium

 

Bundesinstitut für Risikobewertung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung bietet zweierlei: 
Verbrauchertipps zum Schutz vor Infektionen mit enterohaemorrhagischen E. Coli (EHEC)
Informationsseite rund um EHEC
Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung zu EHEC

 

Nationale Forschungsplattform für Zoonosen
Unser Partner, die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen bietet auf Ihrer Internetplattform zahlreiche Hintergrundinformationen:
Hintergrundinformationen zu den aktuellen EHEC-Infektionen

 

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Umfassende Hinweise zu Hygiene und Tipps zur Vermeidung von Infektionen mit EHEC bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:
EHEC-Infektionen: Hygiene beachten

 

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene
Das Institut hat gemeinsam mit Forschern des Beijing Genomic Institut das Erbgut des EHEC-Erreger entschlüsselt.
Zum Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene

 

Konsiliarlabor für Hämolytisch– Urämisches Syndrom (HUS)
Aktuelle mikrobiologische Laborergebnisse im Rahmen des EHEC Ausbruchs
Zu den Laborinformationen zum EHEC Ausbruchsstamm

 

Weitere aktuelle Meldungen aus der Gesundheitsforschung ...

Mehr zum Thema Infektionskrankheiten ...