In wenigen Schritten zu mehr Krankenhaushygiene

Martin Exner

Enterokokken, Clostridium difficile, Staphylococcus aureus: Sie haben komplizierte Namen und stellen die Gesundheitsforschung vor ebenso komplexe Herausforderungen. Mit diesen und weiteren Erregern infizieren sich hierzulande rund 600.000 Menschen pro Jahr bei Krankenhausaufenthalten. Als Folge einer Infektion verkompliziert sich die Behandlung, die Heilung zieht sich in die Länge. Mindestens 15.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen eines Krankenhausinfekts. Und das Problem wächst, da aufgrund demografischer Entwicklungen die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt, die sich im Krankenhaus behandeln lassen. Allerdings beschränkt sich diese Art von Infektionen nicht auf ältere Menschen. Die Keime gelangen hauptsächlich nach operativen Eingriffen oder über medizinische Geräte wie Katheter in den Körper. Hört man sich im Bekanntenkreis um, haben viele bereits selbst Erfahrungen mit Krankenhausinfektionen gemacht.

Eine massive Herausforderung liegt darin, dass es nicht nur im Krankenhausumfeld immer mehr multiresistente Erreger (MRE) gibt. Sie reagieren zu wenig oder gar nicht auf bislang wirksame und übliche Antibiotika und passen sich schnell an neue Mittel an, so dass die Entwicklung der Wirkstoffe nicht hinterherkommt. Das bedeutet drastisch ausgedrückt: Infiziert sich ein Patient mit einem multiresistenten Keim, ist es zu spät – meist sind aufwendige und zeitintensive zusätzliche Behandlungen zwangsläufig die Konsequenz. Es gilt, verstärkt auf Präventionsstrategien setzen.

Patienten, Angehörige und Fachpersonal im Fokus

Notwendig ist erstens, sich noch intensiver mit möglichen so genannten Erreger-Reservoiren zu befassen. Erreger sind zum Teil extrem anspruchslos und können überall lauern. Risiko Nummer 1 ist der Mensch selbst. Patienten müssen vor der Aufnahme ein Screening beziehungsweise eine mikrobiologische Untersuchung durchlaufen. Weitere beliebte Aufenthaltsorte der Infektionserreger sind in der direkten Umgebung von Patienten wie Nachttisch und Bettgestell, aber auch das Waschbecken. Dort hilft nur gründliche Desinfektion mit geprüften Desinfektionsmittelwirkstoffen, und nicht nur Reinigung.

Angehörige umfassend in die Prävention einzubeziehen, ist ein zweiter zentraler Schritt zu mehr Krankenhaushygiene. Vielen fehlt nachhaltiges Wissen darüber, wie wichtig regelmäßige Desinfektion im Umfeld erkrankter Angehöriger ist. Sorgfältige Händehygiene sowohl vor als auch nach dem Besuch sind Pflicht, um eventuelle Krankheitserreger nicht zum Patienten zu bringen oder nach draußen zu tragen.

Drittens ist die intensivere Ausbildung des medizinischen Pflegepersonals essentiell, um tägliche Disziplin und Ritualisierung rund um Krankenhaushygiene zu trainieren. Das bedeutet: Kenntnis über Quellen und Übertragungswege der Erreger zu haben, regelmäßige Händedesinfektion, aber auch der richtige und restriktive Einsatz von Antibiotika, um weiteren Resistenzbildungen entgegenzuwirken. In der Ausbildung gibt es auf diesem Gebiet erheblichen Nachholbedarf.

Gebündelt zum Erfolg

Ein umfassendes Paket an Vorsichts- und Präventionsmaßnahmen ist also die Voraussetzung, um dem Problem der Krankenhausinfektionen Herr zu werden. Man spricht von „Bundle Strategy“ (Bündel-Strategie), die eine Vielzahl von sich gegenseitig ergänzenden Aspekten einschließt – von Schulung und Weiterbildung bis zu Antibiotika-Leitlinien. Diese „Bundle Strategy“ ist Kernelement der wachsenden Zahl regionaler Zusammenschlüsse, bei denen Wissenschaft, Krankenhäuser und Gesundheitsämter gemeinsam an der Verbesserung der Krankenhaushygiene arbeiten. Beispiele für diese Netzwerke sind das „mre-netz regio rhein-ahr“, ein Zusammenschluss von Kommunen und dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn, oder das MRE-Netz Rhein-Main.

Die Vernetzung von Gesundheitsforschung und Praxis ist ein Modell mit Zukunft, wie ein Blick auf die ersten Erfolge beweist. Innerhalb weniger Monate verbesserte sich die Motivation zur Krankenhaushygiene bei den netzwerkenden Einrichtungen deutlich – für eine bessere Versorgung der Patienten. Es lohnt sich: Werden die Vorgaben konsequent umgesetzt, können Schätzungen zufolge mindestens 20 bis 30 Prozent der Krankenhausinfektionen vermieden werden. In Zukunft wird es noch stärker darauf ankommen, sich eng auszutauschen, gemeinsam weitere sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln und neues Wissen unmittelbar dem pflegenden Personal und den Patienten zugutekommen zu lassen.

 

Zum Autor

Prof. Dr. med. Martin Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit sowie Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Infektiologie und Infektionsschutz der Universität Bonn. Zudem fungiert er als Präsident der Deutschen Gesellschaft  für Krankenhaushygiene (DGKH). Er gehört seit 21 Jahren der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut an und ist damit ihr dienstältestes Mitglied. Prof. Exner hat bislang mehr als 200 Publikationen und Buchbeiträge in deutschsprachigen und internationalen Fachjournalen veröffentlicht. Seine Schwerpunktthemen sind Krankenhaushygiene, Umwelt- und Wasserhygiene.

 

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