Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Heiter bis wolkig

Wenn die Cloud unsere Krankheiten vorhersagt – oder: wie Big Data unser Gesundheitssystem revolutionieren könnte

Die Menge an Daten, die über unseren Gesundheitszustand erfasst wird, nimmt mit jedem Tag zu: Die Smartwatch registriert Blutdruck und Körpertemperatur. Die Health-App speichert Essgewohnheiten und Trainingsprogramme. Und bei ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen werden Informationen über Blutwerte und Vorerkrankungen gesammelt. Führten wir diese Daten in Zukunft in der Cloud zusammen, könnten wir einen Nutzen daraus ziehen, von dem Mediziner schon seit Jahrtausenden träumen: Krankheiten erkennen bevor sie entstehen.

Tempo zählt: Je schneller der Zugriff auf wichtige Patientendaten, desto besser die Versorgung (©Warren Goldstein/Shutterstock)

Ein Blogbeitrag von Ferri Abolhassan

Das Gesundheitswesen ist immer noch stark arztzentriert, besonders in Ballungszentren. Wir gehen in der Regel in die Praxis oder ins Krankenhaus. Der Arzt kommt nur in Ausnahmefällen zum Patienten. Unsere Gesundheitsdaten liegen auch nicht bei uns sondern beim Arzt. Zudem liefert die heutige Versorgung vor allem Lösungen für die breite Masse und nur selten maßgefertigte Behandlungsmethoden. Doch mit der Etablierung der Cloud im Gesundheitsbereich zeichnet sich eine Kehrtwende ab, von der sowohl die Patienten als auch die Ärzte profitieren dürften. Denn sie schafft mehr Nähe zueinander. Die Cloud als Speicher für Gesundheitsdaten erlaubt eine neue Art der Versorgung, die vor allem durch Dezentralisierung und mehr Individualisierung geprägt sein wird.

Vorausschauende Patientenversorgung

Ob Hausarzt, Rettungssanitäter oder Pflegekraft im Krankenhaus: Je schneller der Zugriff auf wichtige Patientendaten erfolgt, desto besser die Versorgung. Sind die Daten dezentral in einer Gesundheits-Cloud hinterlegt, kann der Ersthelfer bei einem Unfall beispielsweise bereits erkennen, dass es sich bei dem Patienten um einen Epileptiker handelt. Der behandelnde Arzt in der Notaufnahme bekommt alle Informationen über den Unfall auf sein Tablet, noch bevor der Patient im Krankenhaus eintrifft. Und die Krankenschwester wird von ihrem Rechner zu jeder Mahlzeit auf die Diabeteserkrankung des Patienten hingewiesen.

Lückenlose ärztliche Beobachtung im eigenen Bett

Zudem könnte die Gesundheits-Cloud eine maßgeschneiderte Behandlung innerhalb der eigenen vier Wände ermöglichen. Dank telemedizinischer Lösungen lassen sich Vitalwerte kranker oder älterer Menschen wie Blutdruck oder Blutzucker online speichern und mit den zuständigen Ärzten teilen. So ist der Gesundheitszustand des Patienten jederzeit im Blick - und gleichzeitig werden Zeit sowie Kosten für den Arztbesuch gespart. Auch der Bereich Gesundheitsvorsorge wird durch neue digitale Technologien immer individueller. So liegt es bei gesundheitsbewussten Menschen im Trend, mit Fitness-Apps die eigenen Gesundheitswerte wie Puls und Kalorienverbrauch beim Laufen oder Radfahren zu messen, zu speichern oder mit anderen Sportlern zu vergleichen. 

Mit Fitness-Apps lassen sich die eigenen Gesundheitswerte mit denen anderer Personen vergleichen (©Warren Goldstein/Shutterstock)

Vorteile von Big Data ausschöpfen

Vor allem aber bildet die Cloud die Basis für den effizienten Umgang mit Big Data im Gesundheitswesen. Schließlich müssen die steigenden Datenmengen bewältigt und darüber hinaus zielgenau eingesetzt werden. Das umfasst unter anderem Patienten- und Diagnosedaten oder hochauflösende Bilddateien inklusive einer bis zu 30-jährigen Aufbewahrungsfrist. Die Cloud kann hier helfen, flexibel nach Bedarf Leistungen zu beziehen sowie große Datenmengen an jedem möglichen Ort zu verarbeiten. Dabei ist ein entscheidender Vorteil der Cloud, dass keine Investition in neue Hardware getätigt werden muss.

Durch Big Data können schließlich aus den verschiedenen Datenquellen Zusammenhänge hergestellt werden, die vorher anhand der einzelnen Daten nicht ersichtlich waren. Denkbar wäre beispielsweise, dass irgendwann aufgrund von Algorithmen Krankheiten erkannt werden, bevor der Patient selbst die jeweiligen Symptome bemerkt.

Keine Analyse ohne Datensicherheit

Zwei Grundvoraussetzungen für Big-Data-Analysen und neue Serviceleistungen im Gesundheitswesen müssen jedoch immer gegeben sein: permanente Verfügbarkeit und höchstmöglicher Schutz der Informationen. So müssen die digitalisierten Daten jederzeit für die beteiligten Personen abrufbar, zugleich aber vor den Blicken Dritter sicher sein. Schließlich werden im Gesundheitswesen hochsensible personenbezogene Informationen gespeichert und verarbeitet. Diese gilt es besonders zu schützen. Ohne einen entsprechenden Datenschutz ist demnach keine dieser Neuerung denkbar. Zudem ist es notwendig, Bürger und Anwender ausreichend über die Digitalisierung und die Technologien dahinter zu informieren und aufzuklären, um mögliche Bedenken aus dem Weg zu räumen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Solange die stetig steigenden Datenberge im Gesundheitsbereich nicht sinnvoll gespeichert und analysiert werden, sind sie wertlos. Umso wichtiger sind also Methoden und Technologien zur Bewältigung der Informationsflut. Mit zuverlässigen und vor allem sicheren Lösungen lässt sich jedoch aus der Herausforderung Big Data großes Potenzial schöpfen. Weg von einem anbieterzentrierten und hin zu einem patientenzentrierten, individualisierten Gesundheitssystem.

Dr. Ferri Abolhassan
ist Geschäftsführer der T-Systems International GmbH und verantwortlich für den Bereich Delivery. Der promovierte Informatiker ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Publikationen.