Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Maschinenethik in der Industrie 4.0

Plädoyer für einfache moralische Maschinen

eine hand hält etwas leuchtendes vor einem computerchip
Soziale Produktionsroboter und Drohnen mit Normen (©seraph/photocase)

Ein Blogbeitrag von Prof. Dr. Oliver Bendel

Die Roboter sind unter uns. In unseren Wohnungen, als Fensterputz- und Staubsaugerroboter, in unseren Straßen, als Fahrerassistenzsysteme und selbstständig fahrende Autos, in der Luft, als zivile und militärische Drohnen - und in unseren Fabriken, wo sie ihre angestammten Plätze verlassen und sich unter die Arbeiterinnen und Arbeiter mischen. Sie sind ferngesteuert, (teil-)autonom und mehr oder weniger intelligent. Man kann sie verbieten und bekriegen. Oder in soziale und moralische Maschinen verwandeln.

Komplexe moralische Maschinen sind schwer umzusetzen und bergen viele Gefahren. Sie werden sich falsch entscheiden, Kollateralschäden verursachen und Tote und Verletzte in Kauf nehmen. Sie werden dennoch Realität sein. Militärische Drohnen haben eines Tages, entsprechende Fortschritte vorausgesetzt, nicht nur eine operative Moral. Ich bevorzuge zivile Forschung, z.B. zu diesen einfachen moralischen Maschinen:

  • Chatbots informieren auf Websites über Produkte und Dienstleistungen und dienen Unterhaltung und Kundenbindung. Bei Suizidankündigungen reagiert die Mehrzahl inadäquat. Der GOODBOT, den ein von mir betreutes studentisches Team entwickelt hat, kann den Gesprächspartnern helfen und sie an Experten vermitteln.
  • Serviceroboter sind in zahlreichen Ausführungen erhältlich und erleben einen wahren Boom. Ein gewöhnlicher Saugroboter verschlingt das, was vor ihm und unter ihm ist, Staub und Krümel, aber auch Krabbeltiere. Der LADYBIRD, eine Studie von mir, verschont diese, z.B. - nomen est omen - die Marienkäfer.
  • Fahrerassistenzsysteme und Roboterautos nehmen uns Aktionen ab. Systeme mit Nachtsichtgeräten und Bilderkennung können zwischen Menschen und Tieren unterscheiden und einfache moralische Entscheidungen treffen, in Bezug auf Individuen und Arten, wie ich in verschiedenen Fachzeitschriften ausgeführt habe.

Es gibt noch weitere Anwendungsfelder. Gehen wir zwei Mal in die Luft und kehren dann wieder auf den Boden zurück.

  • Private Drohnen verbreiten sich immer mehr. Sie können, entsprechend ausgerüstet, Menschen fotografieren und filmen. Man kann die Drohnen mit einer Bilderkennung ergänzen, die mit der Aufnahmefunktion zusammenspielt, und sie die Aufnahme von Gesichtern und Körpern verhindern und so die Privatsphäre schützen lassen.
  • Windkraftanlagen verbreiten sich auf Höhen und Meeren. Nicht selten ereignen sich Kollisionen mit Vögeln und Fledermäusen. In Kombination mit optischen Bewegungsmeldern, Radaranlagen und Mustererkennungssystemen sind die Maschinen in der Lage, sich selbst abzustellen - und damit Tieren etwas Gutes zu tun.
  • 3D-Drucker erlauben das "Ausdrucken" von Gegenständen aller Art, in Haushalten ebenso wie in Labors und Fabriken. Drucker, die Dateien analysieren und etwas über Form und Funktion des geplanten Objekts herausfinden, könnten die Herstellung von Pistolen und Bauteilen von Bomben verhindern oder Alarm auslösen.

Die Entwicklung moralischer Maschinen, ob einfach oder komplex, ist das Thema der Maschinenethik und wird im Kontext der Industrie 4.0 von Bedeutung sein. Dort wird man die Moral der Industrieroboter und der Produktionsmaschinen in den Fokus rücken und das Soziale der Maschinen untersuchen. Das Pentagon hat 2014 einige Millionen zur Entwicklung von moralischen Kampfmaschinen spendiert. Es ist wichtig, die Maschinenethik möglichst unabhängig von militärischer Forschung zu halten und die zivile, kommerzielle Nutzung voranzutreiben. Dass dies nicht einfach sein wird, liegt auf der Hand.

Oliver Bendel ist studierter Philosoph und promovierter Wirtschafts-informatiker. Er lehrt und forscht als Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, mit den Schwerpunkten E-Learning, Wissensmanagement, Social Media, Mobile Business, Wirtschaftsethik, Informationsethik und Maschinenethik.