Depression, eine stille und schwere Erkrankung

Harald Schmidt Harald Schmidt, Schirmherr der Stiftung Deutsche Depressionshilfe Foto: Görgen

Von Harald Schmidt

Die Erkrankung Depression ist in den letzten Jahren häufiger Gegenstand von Leitartikeln und öffentlichen Diskussionen gewesen. Dennoch hat diese Erkrankung, was allgemeine Akzeptanz als schwere Erkrankung oder was Kenntnisstand angeht, einen schlechten Stand verglichen mit Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Diabetes mellitus. „Eine Depression haben“ ruft Vorstellungen wach, die von banalisierendem „Nicht-gut-drauf-sein“ bis zum etwas unheimlichen oder gar schuldbehafteten „Verrückt sein“ reichen. Zwischen Verharmlosung und Dämonisierung ist es nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für Angehörige und Bekannte schwer, einen sachgerechten Weg zu finden. Zu wenige wissen, dass Depression eine häufige, schwere und – wie wir an öffentlich bekannt gewordenen Suiziden immer wieder sehen – auch lebensgefährliche Erkrankung ist. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Depression in den entwickelten Ländern die wichtigste Volkskrankheit, wenn man berücksichtigt, wie viele Menschen wie schwer und lange beeinträchtigt werden.

Depression ist eine stille, oft heimliche Erkrankung. Mir scheint, dass deshalb in Politik und Medien unterschätzt wird, wie viele Menschen betroffen sind. Überrascht wird zur Kenntnis genommen, wie viele Menschen sich von Leitartikeln oder Fernsehreportagen zur Thematik angesprochen fühlen. Betroffene verhalten sich nicht nur wegen der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen sondern erkrankungsbedingt leise und zurückgezogen. Schwung und Antrieb – das haben die anderen. Keine gute Voraussetzung, die eigenen Interessen konsequent und lautstark zu vertreten und sich Hilfe zu organisieren. Eine Lobby für Depressionserkrankte fehlt weitgehend. All dies wird erfahrungsgemäß zu Benachteiligungen beim Kampf um die Verteilung der Mittel im Gesundheitssystem, aber auch bei der Forschungsförderung führen.

Ich habe deshalb gerne die Einladung von Herrn Prof. Hegerl angenommen, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe zu unterstützen und die Schirmherrschaft zu übernehmen. Als Weiterentwicklung des Kompetenznetzes Depression, Suizidalität scheint sie mir für die Förderpraxis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein gelungenes Beispiel zu sein. Denn ihre Ergebnisse kommen direkt dort an, wofür die Steuergelder letztendlich ausgegeben wurden: bei den Menschen.

Ich nenne ein Beispiel: Das Modellprojekt „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ führte zu einem deutlichen Rückgang von Suizidalität vor Ort, so dass mittlerweile bereits über 70 Regionen in Deutschland und auch Regionen in 17 Länder in Europa die dort erprobten Konzepte übernommen und eigene Bündnisse gegen Depression gestartet haben. Diese Aktivitäten werden unter dem Dach der Stiftung Deutsche Depressionshilfe weitergeführt. Die Breitenwirkung der Stiftungsaktivitäten zeigt sich auch in der Homepage und dem Diskussionsforum, das jeden Tag über 10 000 Mal besucht wird.

Ehrgeiziges Ziel der Stiftung Deutsche Depressionshilfe für die nächsten zehn Jahre ist es, einen wesentlichen Beitrag zur besseren Versorgung depressiv erkrankter Menschen und zur Reduktion der Zahl der Suizide in Deutschland zu leisten. Das ambitionierte aber vielleicht nicht unrealistische Ziel bis 2020 für die Stiftung und das Deutsche Gesundheitssystem: Senkung der Zahl der derzeit jährlich über 9000 Suizidopfer (circa 30 Menschen jeden Tag) auf unter 5000.

Die Ziele der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sollen durch Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärungsaktivitäten, Schulungen, aber auch durch Forschungsprojekte erreicht werden. Ich habe den Eindruck, dass die noch junge Stiftung Deutsche Depressionshilfe durch die deutschlandweiten Bündnisse gegen Depression, die breitest genutzten Internetangebote, das Konzept des Psychosozialen Coachings für Arbeitslose, das Aktionsnetz Depression am Arbeitsplatz und weitere Initiativen bereits jetzt eine für die Betroffenen spürbare positive Wirkung entfaltet.

So häufig, leidvoll und gefährlich Depressionen sind, so unsicher scheint noch das Wissen über ihre neurobiologischen Ursachen zu sein. Warum sollte es nicht möglich sein, die Krankheitsmechanismen aufzudecken und betroffenen Menschen durch eine noch gezieltere und vorbeugende Behandlung großes und sinnloses Leid zu ersparen? Wie ich erfahren habe, stehen zwar eine ganze Palette wirksamer Medikamente und spezifischer Psychotherapien zur Verfügung, nicht jede Behandlung wirkt aber bei jedem Patienten. Oft dauert es lange, bis für den einzelnen Erkrankten eine Behandlung gefunden ist, die wirksam ist und auch das Wiederauftreten von depressiven Krankheitsphasen zuverlässig verhindert. Auch scheint der genaue Wirkmechanismus von Antidepressiva oder Psychotherapie nicht verstanden. Hier ist die Forschung gefordert und hierfür sollten Mittel in einem Umfang bereitgestellt werden, die der tatsächlichen Häufigkeit und Schwere dieser Erkrankung angemessen sind. In diesem Sinne habe ich deshalb gerne als Bürger und Schirmherr der Stiftung Deutsche Depressionshilfe diesen Beitrag verfasst.

 

 

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