Veränderungen im Hirn früh entdecken

Erkrankungen des Gehirns haben meist schwere Folgen für die Betroffenen. Wissenschaftler und Ärzte sind nicht nur auf der Suche nach immer wirksameren Therapien, oftmals wird auch versucht, die Krankheit so früh wie möglich zu diagnostizieren. Und das ist gar nicht so einfach.

Es beginnt meist ganz harmlos. Ein verlegter Schlüssel oder Portemonnaie stehen am Beginn. Immer öfter vergisst ein an Demenz erkrankter Mensch die einfachsten Dinge, findet sich in seinem Alltag nicht mehr zurecht, später erkennt er Freunde oder gar Familienmitglieder nicht mehr. Die Alzheimer Erkrankung, eine der bekannten Degenerativen Demenzen, ist durch eine fortschreitende Abnahme des geistigen Leistungsvermögens gekennzeichnet. Dadurch werden soziale und alltägliche Fähigkeiten zunehmend eingeschränkt, in Spätstadien kommt es zur dauerhaften Pflegebedürftigkeit. Etwa eine Million Patientinnen und Patienten in Deutschland leiden an einer Demenz, jährlich treten zirka 200.000 Neuerkrankungen auf.

Prävention und Therapien für Demenzerkrankungen

Um neue Therapien entwickeln zu können ist es wichtig, die Ursachen neurodegenerativer Erkrankungen zur verstehen. Auch die Risikofaktoren wie zum Beispiel die genetische Ausstattung oder andere chronische Erkrankungen müssen entschlüsselt werden. Daran arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen mit Sitz in Bonn und an sechs weiteren Standorten. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Erkrankungen in unserer Gesellschaft fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung auch das Kompetenznetz Degenerative Demenzen (KNDD). Hier arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an neuen Ansatzpunkten für die Prävention und Therapie der Erkrankungen. Ziel der Wissenschaftler und Mediziner des KNDD ist es, den Verlust von Hirnfunktionen frühzeitiger zu erkennen. Denn die klinische Diagnose steht meist erst fest, wenn die Erkrankung weit fortgeschritten ist, und wenn sich das Gehirnvolumen schon deutlich reduziert hat und unumkehrbare Schäden eingetreten sind. Denn die zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden können die fortschreitenden Krankheitsprozesse dann bestenfalls noch verzögern, nicht aber aufhalten oder gar rückgängig machen.

„Unser Gehirn verfügt über eine ungeheurere Kompensationsfähigkeit“, sagt Professor Wolfgang Maier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Bonn und Sprecher des KNDD. „Der Preis für diesen Vorteil ist, dass Krankheitsprozesse im Gehirn lange unbemerkt verlaufen. Die kritischen Zeitfenster für eine wirksame Unterbrechung des Krankheitsprozesses vor Eintritt unumkehrbarer Schäden werden damit aber leicht verpasst. Daher ist die Früherkennung im symptomarmen, oder besser noch symptomfreien Zustand so extrem wichtig." In der Entwicklung befinden sich bereits spezielle Checks, etwa mittels bildgebender Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomographie (PET), mit denen ähnlich wie in einer Krebsvorsorge-Untersuchung eine Früherkennung des fortschreitenden Krankheitsprozesses im noch beschwerdefreien Zustand möglich wird. „Schon in fünf Jahren könnte es soweit sein, dass wir Alzheimer im Gehirn relativ sicher erkennen, bevor der Betroffene seine Erkrankung bemerkt“, sagt Maier.

Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Die Entwicklung von Früherkennungs-Maßnahmen ist weiter fortgeschritten als die der möglichen Therapien, um der Demenz etwas entgegen zu setzen. „Die Biologie der Alzheimer-Krankheit kennt man schon, man kennt auch zahlreiche Ansatzpunkte für potentielle Therapien im Gehirn. Hoffnungen auf neue wirksame Medikamente sind durchaus sehr berechtigt“, berichtet Maier. Bis heute hat aber noch keine der mehr als Hundert entwickelten, biologisch gut begründeten Wirkstoffe eine durchschlagende klinische Wirkung gezeigt – und so bleibt die Suche nach einer wirksamen Therapie gegen Alzheimer und andere Formen der Demenz eine Hauptaufgabe der Gesundheitsforschung. Diese Entwicklungsarbeiten sind angesichts des demographischen Wandels absolut vordringlich, um dem drohenden, enormen Anstieg der Anzahl Demenzkranker entgegenzuwirken.

Schizophrenie frühzeitig erkennen

Auch die Schizophrenie ist eine gravierende Erkrankung, sie tritt im Laufe des Lebens bei etwa einem Prozent der Deutschen auf, Wissenschaftler gehen aktuell von etwa 800.000 Betroffenen aus. Sie leiden unter einer gestörten Wahrnehmung, es kann zu Halluzinationen oder Wahnvorstellungen kommen. Oftmals sind die Erkrankten noch sehr jung, zwischen der Pubertät und dem 30. Lebensjahr erfolgt die erste Akutphase. „Dem eigentlichen Ausbruch der Schizophrenie geht meist eine mehrjährige Phase voraus, in denen erste Anzeichen auf die spätere Erkrankung hindeuten“, sagt Professor Wolfgang Gaebel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine Universität und gleichzeitig Sprecher des Kompetenznetzes Schizophrenie. „Eine verzögerte Behandlung geht oftmals mit schwerwiegenden Nachteilen für die weitere Erkrankung einher, zum Beispiel dem deutlichen Abfall der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit.“ Deshalb wollen die Wissenschaftler Wege finden, Risikopersonen in einer möglichen Entwicklung in eine Psychose möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

In dem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbund wurde unter anderem untersucht, wie sich eine frühe Therapie von Betroffenen auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt. Erstmalig wurden bundesweit vier Früherkennungszentren gegründet und betroffene Menschen für zwei große Studien untersucht. Es zeigte sich, dass eine verhaltenstherapeutische Behandlung von Risikopatienten zu einem frühen Zeitpunkt Übergänge von einer leichten zu einer schweren psychotischen Störung in vielen Fällen erfolgreich verhindern konnte. In anderen Fällen konnte die frühe Therapie die bereits bestehende Symptomatik abmildern. Den Wissenschaftlern gelang ein Meilenstein in der psychiatrischen Früherkennung. „Psychiater werden ja oftmals als reine Pillenverschreiber verschrien“, sagt Gaebel, „und das geschieht zu Unrecht.“ So bestehe die Therapie schizophrener Erkrankungen immer aus mehreren Bausteinen mit medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden und Hilfen zur Wiedereingliederung in ein möglichst normales Leben. Hierzu habe eine Untersuchung des Kompetenznetzes Schizophrenie gezeigt, dass selbst nach einjährigem stabilen Krankheitsverlauf unter antipsychotischer Medikation, diese Medikamente nicht einfach abgesetzt werden können.

Eine weitere Schwierigkeit ist es, Ersterkrankte in der Therapie zu halten. Vielfach hoffen die Betroffenen, dass ihre Schizophrenie ein einmaliger Fall bleibt und brechen die Therapie ab. Tatsächlich erkranken nur 25 Prozent der Menschen einmalig an einer Schizophrenie, die Mehrheit ist von weiteren Episoden nicht gefeit. „In anderen Ländern wie in Großbritannien gibt es für diese Menschen spezielle Behandlungsangebote“, berichtet Professor Wolfgang Wölwer, Leiter der Netzwerkzentrale des Kompetenznetzes. „Die Ersterkrankten werden hier zunächst behandelt und dann auch fortlaufend betreut, etwa in regelmäßigen Sprechstunden. Dabei werden auch die Familien stärker mit eingebunden, ein Ansprechpartner kümmert sich kontinuierlich um den Erkrankten. „Es zeigt sich in diesen Ländern, dass man so die Menschen besser erreicht“, berichtet Wölwer, außerdem sei es auch ein gesundheitsökonomischer Nutzen. „Es hilft Kosten zu sparen – durch die viele Rückfälle, die so vermieden werden.“ Die Aktiven des Kompetenznetzes arbeiten schon an einem passenden Konzept für Deutschland.

 

 

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