Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Die Domestizierung der Riesenkrake

Wie wir Sicherheit und Privatsphäre im Netz unter einen Hut bekommen

Wie kann man im Internet die Anwender besser schützen, ohne den Handel, die freie Meinungsäußerung oder den Zugang zu Informationen einzuschränken? Was heute paradox erscheint, muss in Zukunft möglich sein: Anonym durchs Netz surfen und dennoch Internet-Kriminelle entlarven können. Für Michael Backes, Informatik-Professor der Universität des Saarlandes und Leiter des Kompetenzzentrums für IT-Sicherheit (CISPA), ist das der Kern seiner Forschungen.

Fußgänger auf einer Brücke mit Glaskuppel
Noch ist Anonymität im Netz fast unmöglich. Doch wie könnte es in Zukunft aussehen? (© Christian Mueller / Shutterstock)

Ein Blogbeitrag von Prof. Michael Backes

Das Internet wurde ursprünglich als Netzwerk für ein paar Millionen User aufgebaut. Es ist jedoch zu einer globalen Multimedia-Plattform geworden. Milliarden Menschen, die Unterhaltungsindustrie und der Handel, aber auch die Politik und die Akteure des Bildungssektors nutzen es heute täglich. Für solch ein rasantes Wachstum waren die Strukturen des Internets aber niemals vorgesehen. Das weltweite Netz ist von seinem eigenen Erfolg überrollt worden und verwandelt sich derzeit in eine Riesenkrake, die Grundwerte unserer Demokratien außer Kraft setzen könnte. Es stellt daher eine Gefahr für unsere Privatsphäre dar, ebenso wie für die Datensicherheit und unsere Informations- und Meinungsfreiheit.

Die NSA-Affäre hat allen vor Augen geführt, wie einfach es heute ist, riesige Datenbestände nach Detailinformationen zu durchforsten und Persönliches aus ganz unterschiedlichen Quellen miteinander zu verknüpfen. Da haben nicht nur Unternehmen ein leichtes Spiel, die Interessen und Wünsche ihrer Kundschaft herausfinden wollen. Auch Geheimdienste und kriminelle Banden betreiben Spionage. Mit den heutigen Technologien ist es kaum möglich, die eigene Privatsphäre im Internet zu schützen. Der Nutzer kann gar nicht überschauen, welche Konsequenzen sein eigenes Handeln im weltweiten Netz hat. Es ist auch für Profis fast unmöglich, sich anonym durch das Netz zu bewegen und dort vertrauliche Informationen auszutauschen.

User zu mündigen Nutzern machen

Deswegen will ich mich gemeinsam mit meinem Team vor allem dem Schutz der Privatsphäre widmen. Wir erforschen in den kommenden Jahren, wie man im Internet Anwender gegen Ausspähung und Betrug besser schützen und gleichzeitig Täter entlarven kann. Unser Ziel ist dabei jedoch, weder den Handel, die freie Meinungsäußerung noch den Zugang zu Informationen im Internet einzuschränken. Dazu suchen wir nach Wegen, wie man den einzelnen Nutzer warnt, wenn ihm die Freigabe persönlicher Informationen schaden könnte. Heute gibt es im weltweiten Netz leider die Situation, dass ein Anwender gar nicht mehr überblicken kann, was er bei der Angabe persönlicher Daten oder auch allein über sein Suchverhalten im Hintergrund alles auslöst. Wir müssen daher Automatismen entwickeln, die dem Nutzer transparent vor Augen führen, welche Folgen es für ihn haben kann, wenn er bestimmte Internetdienste nutzt. Dann kann er selbst entscheiden, ob er diesen Eingriff in die Privatsphäre möchte oder nicht.

Daneben widmen wir uns einer weiteren wichtigen Fragestelle für die Zukunft des Internets: Das Web krankt heute auch daran, dass kriminelle Nutzer und Anbieter nur schwer zur Rechenschaft gezogen werden können. Deshalb erforschen wir auch, wie man die Verursacher, zum Beispiel Einzelpersonen oder auch Unternehmen, besser identifizieren und für ihr Fehlverhalten verantwortlich machen kann. Dabei suchen wir nicht nur nach technischen Lösungen, sondern erforschen gemeinsam mit Juristen, Sozialwissenschaftlern und Wirtschaftsexperten, wie die demokratischen Grundrechte im Internet geschützt werden können.

Foto von Michael Backes

Michael Backes ist Professor für Informationssicherheit und Kryptographie der Universität des Saarlandes. Seit drei Jahren leitet er das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit (CISPA) in Saarbrücken. Neben dem ERC Synergy Grant hat Prof. Backes bereits zahlreiche Preise und wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten. Nun wurde er von der Gesellschaft für Informatik - im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2014 - als einer von Deutschlands digitalen Köpfen ausgezeichnet.