Zum Wissenschaftsjahr 2018
Sollen Plastiktüten zum Schutz der Meere verboten werden?

Sollen Plastiktüten zum Schutz der Meere verboten werden?

Von Lars Gutow, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven

Sollen Plastiktüten zum Schutz der Meere verboten werden?

Von Lars Gutow, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven

Um die Verschmutzung der Ozeane durch Plastikmüll zu bekämpfen, werden EU-weit die Preise für Plastiktüten drastisch angehoben. In der Meeresumwelt können Plastiktüten Habitate und Organismen schädigen. Jede Plastiktüte, die nicht in die Meere gelangt, ist also ein Gewinn. Plastiktüten sind jedoch nicht die häufigste Form von Müll in den Ozeanen. An Stränden und am Meeresboden der deutschen Nordsee machen Plastiktüten weniger als 5 Prozent des gesamten Mülls aus. Das mag in Regionen mit anderem Pro-Kopf-Verbrauch an Plastiktüten anders aussehen. Insofern ist eine Einschränkung des Gebrauchs von Plastiktüten grundsätzlich zu begrüßen. Zur Bekämpfung der globalen Meeresverschmutzung durch Plastikmüll kann diese Maßnahme aber wohl nur geringfügig beitragen. Das Verbot von Plastiktüten ist eher eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme, die jedoch nur eingeschränkte Wirksamkeit erwarten lässt.

Der Sanktionierung der Verwendung von Plastiktüten liegt ein strategischer Fehler zugrunde. Eine wirklich wirksame Maßnahme gegen Plastiktüten sollte nicht Erwerb und Verwendung von Plastiktüten sanktionieren, sondern bereits deren Herstellung. Werden Plastiktüten gar nicht erst hergestellt, wird der Verbraucher auch nicht verführt, diese zu kaufen. Die Maßnahme sollte also nicht primär beim Verbraucher ansetzen, sondern bereits beim Hersteller.

Lars Gutow ist Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. In seiner Forschung untersucht er, wie Arten, Populationen und Ökosysteme auf eine durch menschliche Aktivitäten veränderte Meeresumwelt reagieren.

Dieses Prinzip der Herstellerverantwortung lässt sich auf die vielen anderen Plastikprodukte übertragen, die zunehmend die Umwelt verschmutzen. Häufig beschränkt sich die Betrachtung von Produkten bei ihrer Entwicklung nur bis zum Kauf durch den Verbraucher. Viel wichtiger wäre jedoch, dass bereits bei der Produktentwicklung auch die Phase im „Leben“ eines Produktes jenseits der Verwendung durch den Verbraucher berücksichtigt wird. Die attraktive Entsorgung und effiziente Rückführung in den Rohstoffkreislauf müssen dabei stärkere Beachtung finden. Wird das ausgediente Produkt als wertvoller Rohstoff verstanden, würde deutlich weniger Müll in die Umwelt gelangen. Dieses Prinzip wird zunehmend verfolgt. Die weiterhin ansteigenden Müllmengen in den Meeren zeigen jedoch, dass wir weit von einer Optimierung entfernt sind. Noch besser und nachhaltiger wäre es, hochqualitative und damit langlebige Produkte herzustellen, die gar nicht erst zu Abfall werden. Die Umweltfolgen des steigenden Abfallaufkommens werden bisher nicht ausreichend in volkswirtschaftliche Bilanzen eingepreist. Bei Berücksichtigung der langfristigen Folgen für die Umwelt würde jedoch deutlich werden, dass der verschwenderische Einsatz fossiler Ressourcen und die Schädigung der Umwelt volkswirtschaftlich und ökologisch in eine Sackgasse führen.

Die größten Emittenten von Plastikmüll in die Ozeane befinden sich in Ostasien. Dies entlässt uns Europäer jedoch nicht aus der Verantwortung. Als Exportnationen versenden wir unsere Waren in die ganze Welt. Die importierenden Staaten verfügen jedoch häufig nicht über die Infrastruktur für eine nachhaltige Müllentsorgung. Um den massiven Eintrag von Müll in die Meere global zu reduzieren, müssen wir die Abfallentsorgung in fernen Ländern finanziell und technologisch unterstützen bzw. unsere exportierten Abfallprodukte zurückführen und einer sachgerechten, nachhaltigen und umweltschonenden Verwertung zuführen.

Das Plastiktütenverbot fördert die dringend notwendige gesellschaftliche Diskussion über unseren Umgang mit Kunststoffen. Als umweltpolitische Maßnahme wird es global-ökologisch jedoch weitgehend wirkungslos bleiben.

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