Zum Wissenschaftsjahr 2018
Fossilien-Rätsel aus der Urzeit gelöst - aus drei Arten wird eine

Fossilien-Rätsel aus der Urzeit gelöst - aus drei Arten wird eine

Xianguangia sinica zählt als Nesseltier

Kasseler Gastwissenschaftler klärt Geheimnis um kambrische Fossilien

Drei Fossilien aus dem Frühkambrium haben der Wissenschaft lange Zeit Kopfzerbrechen bereitet. Jetzt hat das Rätselraten ein Ende.

Alle drei gehören zu demselben Urwesen – dem Nesseltier. Das zeigen Untersuchungen neuer, über 500 Millionen Jahre alter Funde aus der sogenannten Chengjiang-Lagerstätte. Maßgeblich beteiligt an der Entdeckung war der Paläontologe Qiang Ou, Gastwissenschaftler an der Universität Kassel. Der Befund liefert neue Erkenntnisse über die Evolution der Artenvielfalt während der kambrischen Explosion. Gemeint ist damit das massive Auftreten neuer Arten im kambrischen Zeitalter vor etwa 530 Millionen Jahren.

Nesseltiere sind lebende Fossilien. Sie bestehen zu 99 Prozent aus Wasser. Sie haben kein Blut, kein Hirn und kein Herz. Zu den ältesten heute noch lebenden Tieren zählen unter anderem Seeanemonen, Quallen und Korallen. Nesseltiere haben im Verlauf von Millionen Jahren jeden Lebensraum unter Wasser erobert, von der Antarktis bis in die Tropen, von der Tiefsee bis ins Süßwasser. Ihre Fähigkeit zur Regeneration reizt zur Legendenbildung. Ähnlich wie die aus der griechischen Mythologie bekannte vielköpfige „Hydra von Lerna“ können viele Polypen ihre mit giftigen Nesselzellen besetzten Köpfe regenerieren.

Die Evolution überrascht uns immer wieder. Nun hat das Nesseltier „Zuwachs“ bekommen. Nach Erkenntnissen von Qiang Ou, Professor Georg Mayer und weiteren Forscherinnen und Forschern gehört das vor etwa 520 Millionen Jahren lebende Urtier „Xianguangia sinica“, anders als bislang angenommen, zur Stammgruppe der Nesseltiere. Das circa fünf Zentimeter große Fossil ähnelte einem Polypen. Allerdings besaß es eine zusätzliche Leibeshöhle, die offenbar als Hydroskelett diente. Dazu kam noch eine Ankervorrichtung an der Körperbasis. Federartige Tentakel, die mit zahlreichen Wimpern besetzt waren und wohl der Nahrungsaufnahme dienten, inspirierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Rufnamen „Federpolyp“. Das Urwesen „(...) war ein sogenannter Suspensionsfresser“, stellt Mayer fest. Organisches Material wurde durch Wimpernschlag aus dem Wasser gefiltert und dann in Richtung Mund befördert. Das revidiert die gängige Annahme, dass sich „Xianguangia sinica“ wie die heutigen Nesseltiere räuberisch ernährte.

Das Forscherteam widmete sich noch zwei weiteren Fossilien. Deren Einordnung löste bis dato Widersprüche aus. Auch das konnte geklärt werden. Bei den Fossilien „Chengjiangopenna wangii“ und „Galeaplumosus abilus“ handelt es sich lediglich um Körperfragmente von „Xianguangia sinica“. Fälschlicherweise galten beide Fossilien als zwei eigenständige Arten.

Die Ergebnisse der Studie, unlängst im Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht, machen eins deutlich: Die Vielfalt der urzeitlichen Nesseltiere war größer als bisher bekannt. Untersuchungen von Funden aus der Chengjiang-Lagerstätte haben in den letzten Jahrzehnten des Öfteren unser Verständnis der Evolution im kambrischen Zeitalter erweitert. Der „Federpolyp“ ist nur ein Kind der kambrischen Explosion. Viele verwandte Fossilien sind noch gar nicht ausgewertet.


17.08.2017

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