Zum Wissenschaftsjahr 2018
Sonne und Wellen nagen an der Steilküste der Arktis

Sonne und Wellen nagen an der Steilküste der Arktis

Meerwasser der Arktis nur noch trübe Brühe?

Forscher fordern arktisweite Studie zu den Folgen der Küstenerosion

Glasklar ist das Meerwasser in den Probenfläschchen, die Michael Fritz im Winter füllt, wenn die Beaufortsee rund um die nordkanadische Permafrostinsel Herschel Island zugefroren ist. Im Sommer aber, wenn die Eisschollen geschmolzen sind und Sonne und Wellen an der Steilküste nagen, enthält der Probenschöpfer des Potsdamer Geowissenschaftlers eine trübe Brühe. Das liegt am Auftauen und der zunehmenden Erosion der Permafrostküsten. „Herschel Island verliert pro Jahr bis zu 22 Meter seiner Steilküste. Der aufgetaute Permafrostboden rutscht dann in Form von Schlammlawinen ins Meer und trübt die umgebenden Flachwasserbereiche so großflächig ein, dass die braun-grauen Sedimentfahnen viele Kilometer weit ins Meer hineinreichen“, berichtet der Polarforscher des Alfred-Wegener-Instituts. Welche Folgen das für das Leben in der Küstenzone und somit auch für die Fischgründe arktisweit hat, müsse besser erforscht werden, fordert Fritz mit seinen Kolleginnen und Kollegen.

Denn ihre lokalen Beobachtungen lassen sich inzwischen auf weite Teile der Arktis übertragen. 34 Prozent der Küsten weltweit sind Permafrostküsten. In dieser gigantischen Tiefkühltruhe lagern riesige Mengen Kohlenstoff. Steigt die Temperatur an und taut der Permafrost auf, so werden Mikroorganismen aktiv und zersetzen den bisher festgelegten Kohlenstoff. Es entstehen Methan und Kohlendioxid, die den Treibhauseffekt potenzieren. Diese Rückkopplung würde sich auf das gesamte globale Klimasystem auswirken. Zudem gelangen bei diesem Vorgang Nähr- und Schadstoffe wie Stickstoff, Phosphor oder Quecksilber ins Meer. Freigesetzte Nährstoffe kurbeln das Wachstum der Algen an, was zur Bildung sauerstoffarmer Zonen führen kann. Es wächst die Gefahr der Versauerung des Meers und ohnehin werden die Ablagerungen am Meeresboden in die Biologie des Meeres eingreifen.

 

Die Temperaturen in der Arktis steigen. Das Meereis schwindet. Wellen schlagen höher an die Küsten. Die Erosion schreitet ungebremst voran. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) rufen deshalb in der Fachzeitschrift Nature Climate Change dazu auf, die ökologischen Folgen der Küstenerosion großflächig zu untersuchen. Gebraucht werde ein interdisziplinäres Forschungsprogramm, welches politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie die Bewohnerinnen und Bewohner der arktischen Küsten von Anfang an mit einbeziehe, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Vor allem gelte es, logistische Probleme zu bewältigen. Das Erhebungsgebiet sei vielerorts unzugänglich, der Netz der Stationen nur sehr grobmaschig. Politik und Wissenschaft müssten gemeinsam Lösungen finden.

05.01.2017

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