Zum Wissenschaftsjahr 2018
Wer geht, wer kommt? Klimawandel setzt Meeresbewohner unter Druck

Wer geht, wer kommt? Klimawandel setzt Meeresbewohner unter Druck

Wärmeliebende Arten nehmen in unseren Breiten zu.

Senckenberg-Studie: Mehr wärmeliebende Tiere ziehen in unsere Breiten

Muscheln, Krebse, Fische und Algen reisten schon immer als blinde Passagiere im internationalen Schiffsverkehr mit. Bei uns angekommen, kamen sie dann oft mit der Umgebung nicht zurecht und gingen ein. Durch den Klimawandel finden wärmeliebende Tierarten aber in unseren Meeren auf einmal artgerechte Lebensbedingungen vor. Sie treten in Konkurrenz mit einheimischen Arten in Nord- und Ostsee, sofern diese nicht schon auf der Flucht sind. Forscherinnen und Forscher wissen beispielsweise seit geraumer Zeit, dass sich der Kabeljau Richtung Arktis bewegt, wenn ihm das Wasser in seiner angestammten Umgebung zu warm wird. Im Sommer ziehen die Schwärme aus dem Atlantischen Ozean bis nach Spitzbergen und dringen dort in das Revier des Polardorsches ein.

Wärmeliebende Arten nehmen in unseren Breiten zu. Das bestätigen auch die Senckenberg-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler, die die Ausbreitung wärmeliebender Tiere in Mitteleuropa und der südlichen Nordsee untersucht haben. Ihre kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ erschienene Studie zeigt, dass sich der Klimawandel sowohl auf die Entwicklung der Arten zu Lande wie auch zu Wasser niederschlägt.

Laut Professorin Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums, zeigt sich der Trend an Land besonders ausgeprägt. Gleichzeitig nähme in einigen Beobachtungsgebieten auch die Populationsgröße kälteliebender Arten an Land ab. In Fließgewässern und im Meer dagegen schlage sich die Temperaturerhöhung offenbar vielschichtiger nieder. Doch auch hier fänden sich Indizien: Der Bestand wärmeliebender Meeresfische nimmt zu.

Andere Untersuchungen in Nord- und Ostsee fanden mindestens 80 bis 100 exotische Arten, die sich dort festsetzen konnten. So konnte auch die wärmeliebende Pazifische Riesenauster aus Südostasien im Wattenmeer Fuß fassen. Wurde sie in den 80er-Jahren noch in Aquakulturen gezogen, siedelt sie heute in der wärmer werdenden Nordsee wild auf Miesmuschelbänken. Die riesigen, scharfkantigen Austern lassen den Miesmuscheln zwar noch Platz, dominieren aber mittlerweile die Muschelbänke. Neben der Riesenauster haben inzwischen mindestens 32 weitere Arten ihren Weg in die Nordsee gefunden, darunter die Pantoffelschnecke (Crepidula fornicata) und die Alge Gracilaria vermiculophylla, die sich beide als ökologisch problematisch erwiesen haben.

Tiere und Pflanzen an Land seien zudem vom Landnutzungswandel seit 1980 betroffen. „Er wirkt aber eher lokal, während der Klimawandel quasi überall zuschlägt. Die damit einhergehende Temperaturerhöhung kann sich auf den Bestand von Arten quer durch Mitteleuropa auswirken und genau dieser Effekt ist bereits jetzt zu beobachten“, bilanziert Böhning-Gaese.

 

23.02.17

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