Zum Wissenschaftsjahr 2018
Invasive Arten – Pflanzen und Tiere als blinde Passagiere

Invasive Arten – Pflanzen und Tiere als blinde Passagiere

Algen, Muscheln, Krebse und Fische – sie alle reisen als blinde Passagiere im internationalen Schiffsverkehr mit

Forscher prognostizieren Veränderungen im Ökosystem der Nordsee.

Unter Federführung des Oldenburger Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) haben Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) in Frankfurt ein Modell entwickelt, das die künftigen Verbreitungen ermitteln kann.Algen, Muscheln, Krebse und Fische – sie alle reisen als blinde Passagiere im internationalen Schiffsverkehr mit. Große Frachter pumpen zur Stabilisierung oft enorme Mengen Meerwasser in ihre Ballasttanks. Mit dem Ballastwasser oder aber auch am Schiffsrumpf werden Meeresbewohner in weit entfernte Regionen eingeschleppt. Finden sie dort artgerechte Lebensbedingungen vor, treten sie in Konkurrenz mit einheimischen Arten um Lebensraum und Ressourcen. Jetzt haben Forscher ein Prognosemodell entwickelt, das anzeigt, wo welche invasive Art als nächstes auftauchen könnte. Dem Modell zufolge zählt die Nordsee zu den besonders anfälligen Meeresgebieten.

Bislang konnten gängige wissenschaftliche Modelle allenfalls prognostizieren, welche Häfen beispielsweise besonders anfällig für Einschleppungen gebietsfremder Spezies sind. Unter Federführung des Oldenburger Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) haben Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) in Frankfurt ein Modell entwickelt, das ausgehend vom aktuellen Vorkommen potenziell invasiver Arten deren künftige Verbreitung ermitteln kann.

Die Untersuchungen ergaben, dass besonders an der Westküste der USA und in der Nordsee mit vermehrten Invasionen zu rechnen ist. Als Grund für die Entwicklung vor der Nordseeküste nennt das Forscherteam die ähnlichen Bedingungen in den Meeresregionen rund um Japan und China und der Nordsee. Der intensive Schiffsverkehr auf Routen wie Singapur und Hamburg tue sein Übriges. „In der Nordsee konnten sich bereits zwei neue Algen-Arten – Prorocentrum minimum und Polysiphonia harveyi – ansiedeln, die wir als ‚Hochrisiko-Arten‘ eingestuft haben. Hier haben sich unsere Vorhersagen schon bestätigt“, erläutert Dr. Hanno Seebens, Hauptautor der Studie. In den USA dagegen wird die Entwicklung auf den Klimawandel und die damit verbundenen höheren Wassertemperaturen zurückgeführt. Bisher überlebten die invasiven Arten die vergleichsweise niedrigen Temperaturen vor der amerikanischen Westküste nicht.

Die Studie schätzt den Schaden durch invasive Arten EU-weit auf Milliarden-Höhe. Auf der Grundlage der jetzt in der amerikanischen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) veröffentlichen Ergebnisse untersuchen die Forscher auch weiter die biologischen Zusammenhänge, die eine Ansiedlung invasiver Arten begünstigen. Am Ende sollen alle Informationen zusammenfließen, um möglichst effizient weitere Invasionen zu verhindern. „Auch wenn sich unsere Studie derzeit auf die Ausbreitung im Meer lebender Algen beschränkt, kann das Modell leicht auf andere Tiergruppen – nicht nur im marinen Bereich – ausgeweitet werden“, resümiert Seebens.



in Kooperation mit dem idw - Informationsdienst Wissenschaft

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