Zum Wissenschaftsjahr 2018
Phantom-Lebensräume in der Tiefsee 


Phantom-Lebensräume in der Tiefsee 


Wie ein Austausch zwischen tausende Kilometer entfernten Populationen möglich ist

Phantom-Lebensräume in der Tiefsee 


Internationales Forscherteam zeigt Verbindungen zwischen Ökosystemen an „Schwarzen Rauchern“ 

An heißen Quellen in der Tiefsee, sogenannten Hydrothermalsystemen, bilden sich hochspezialisierte Lebensgemeinschaften. Diese Systeme liegen aber oft hunderte oder tausende Kilometer voneinander entfernt. Daher rätseln Meeresbiologen schon lange, wie Larven der betreffenden Tierarten von einem Standort zum nächsten gelangen.

In einer neuen Studie zeigt eine Gruppe von Forschern aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Kanada und den USA unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel mithilfe von ozeanographischer Modellierung und genetischen Analysen an Muscheln der Gattung Bathymodiolus, dass es viele, bisher nicht entdeckte Hydrothermalquellen als Zwischenstationen geben muss. Die Studie erscheint heute in der internationalen Fachzeitschrift Current Biology.

Riesige blumenartige Röhrenwürmer, fußlange Muscheln, gepanzerte Schnecken, geisterhaft anmutende Fische ― dieses sind nur einige Beispiele für die einzigartige Artenvielfalt an heißen Quellen in der Tiefsee, auch Hydrothermalsysteme oder „Schwarze Raucher“ genannt. Die Entstehung dieser Ökosysteme ist an tektonische oder vulkanische Aktivität im Ozeanboden gebunden. Einzelne Hydrothermalfelder liegen oft sehr isoliert in der sonst vergleichsweise lebensarmen Tiefsee. In vielen Fällen, wie zum Beispiel am Mittelatlantischen Rücken, sind sie sogar mehrere hundert bis tausende von Kilometern voneinander entfernt. Viele Tiere, die an Hydrothermalschloten wohnen, sind im erwachsenen Stadium am Untergrund festgewachsen. Daher können nur ihre Larven von einem Standort zum anderen gelangen. 



Wie so ein Austausch zwischen verschiedenen Populationen möglich ist, blieb Wissenschaftlern bisher ein Rätsel ― nicht zuletzt, weil die Untersuchung der Larvenverteilung im Ozean praktisch unmöglich ist.

„Um den Austausch zwischen verschiedenen Hydrothermalfeldern am Mittelatlantischen Rücken zu erfassen, haben wir eine Kombination aus hochauflösenden genetischen Analysen und Computersimulationen der Larvenverteilung verwendet. Als Beispielorganismus haben wir Muscheln der Gattung Bathymodiolus gewählt, da diese Tiere Schlüsselarten in Hydrothermalökosystemen sind“, sagt Dr. Corinna Breusing vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Erstautorin der Studie. 



Die Resultate von Breusing und ihren Kollegen sind auch deshalb relevant, weil an Hydrothermalökosystemen spezielle Sulfidablagerungen vorkommen. Sie werden als mögliche mineralische Rohstoffquelle für die Zukunft diskutiert. „Sollte der Abbau dieser Massivsulfiden Realität werden, müssen geeignete Schutzzonen errichtet werden, die die Wanderungsstrecken der hochspezialisierten Bewohner der heißen Quellen berücksichtigen“, sagt Dr. Breusing, „Wir hoffen, dass unsere Studie einen Impuls zu weiteren Forschungen an anderen Organismen und geographischen Regionen gibt, damit ausreichend Informationen gesammelt werden können, um effektive Schutzpläne zu erstellen.“