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Marine Chlamydien können schwimmen

Marine Chlamydien können schwimmen

Forschungsteam entdeckt Motor bei Bakterien

Forschungsteam entdeckt molekularen Motor bei Bakterien im Meer

Chlamydien können schwimmen. Zu dieser Erkenntnis kamen die MikrobiologInnen Astrid Collingro und Matthias Horn von der Universität Wien zusammen mit ihrem Team. Sie hatten marine Arten dieser Bakterien untersucht, die bislang als unbeweglich galten.

Mit ihrer Entdeckung erhofft sich das Forschungsteam, die Herkunft und Entwicklung bakterieller Krankheitserreger sowie die Rolle der Chlamydien für den Menschen besser verstehen zu können.

Bekannt sind Chlamydien vor allem als Krankheitserreger. Beim Menschen verursachen diese sehr kleinen Bakterien weltweit jedes Jahr mehr als 100 Millionen Infektionen. Für den Menschen harmlose Chlamydien kommen in der Umwelt überall vor, zum Beispiel auch im Meer. Über diese marinen Chlamydien war bislang nur wenig bekannt. Bei einigen Arten fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt einen molekularen „Motor“. „Wir haben das zunächst nicht für möglich gehalten. Erst nach einer Reihe (von) Analysen waren wir uns sicher: Wir haben es mit beweglichen Chlamydien zu tun“, erklärt Astrid Collingro, Erstautorin der im „ISME Journal“; veröffentlichten Studie.

Die Evolution dieser Bakterien lässt sich an den Umweltchlamydien besonders gut untersuchen, denn sie sind uralt. Vermutlich gibt es sie seit der Entstehung der Erde. Im Laufe ihrer Evolution haben sie eine Vielzahl an Genen verloren. So können sie nicht mehr frei existieren, sondern leben beispielsweise in Amöben. Um sich zu vermehren, sind sie auf die Infektion tierischer oder menschlicher Zellen beziehungsweise auf Einzeller angewiesen.

Das internationale Forschungsteam war in seiner Studie Beobachtungen nachgegangen, die auf eine Vielzahl unbekannter Entwicklungslinien im Meer hinwiesen. Dabei verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Methoden der Einzelzellgenomik. Sie untersuchten einzelne Bakterienzellen aus Meerwasserproben in winzigen Reaktionsgefäßen. Nachdem sie zehntausende Bakterienzellen sortiert hatten, wurden sie fündig: Sie stießen auf drei Chlamydien, deren Genome sie vervielfältigten und sequenzierten. Diese Einzelzellgenome erlaubten erstmals Einblicke in die genetische Ausstattung und die Biologie mariner Chlamydien. Völlig unerwartet stießen die Forscherinnen und Forscher dabei auf Flagellen, eine Art Geißel am Ende der Zelle. Mit diesen können sie sich wie mit einem molekularen Motor fortbewegen. Astrid Collingro, Matthias Horn und ihr Team vermuten, dass die Beweglichkeit eine Voraussetzung dafür ist, im Meer neue Wirtszellen zu finden und sich zu verbreiten.

Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass alle Chlamydien, also auch die beim Menschen vorkommenden Arten, ursprünglich über solche Flagellen verfügten. Allerdings sind diese im Laufe der Evolution verloren gegangen.

Als nächstes sollen die marinen Chlamydien im Labor untersucht werden, um die Anpassungsfähigkeit dieser Bakterien besser zu verstehen. Hierzu werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst ihre natürlichen Wirte suchen. „Bisher konnten wir nur einen Bruchteil der Chlamydien untersuchen. Ich denke, diese Bakterien sind noch für einige Überraschungen gut“, ist sich Matthias Horn, Professor am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien, sicher.

06.07.2017

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