Zum Wissenschaftsjahr 2018
Ruderfußkrebse haben eine genetische Uhr

Ruderfußkrebse haben eine genetische Uhr

Chronobiologie bei Plankton – die innere Uhr des Ruderfußkrebses beeinflusst das marine Ökosystem.

Planktonart lebt in einem unabhängigen 24-Stunden-Rhythmus

Der Ruderfußkrebs (Calanus finmarchicus) hat eine innere Uhr, die ohne äußere Reize funktioniert. Diese Uhr regelt seinen Stoffwechsel und seine tägliche Wanderung vom Meeresboden zur Wasseroberfläche.

Damit beeinflusst sie das gesamte Nahrungsnetz im Nordatlantik: Denn der Planktonart folgen viele größere Tiere, denen er als Nahrung dient. Zu dieser Erkenntnis kamen Sören Häfker und sein Team des Alfred–Wegener–Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar– und Meeresforschung (AWI). Der Meeresbiologe hatte zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Oldenburg und der Scottish Association for Marine Science den Uhr–Mechanismus des Ruderfußkrebses untersucht und seine tägliche Wanderung mit der Rhythmik der genetischen Uhr verglichen.

Jeden Abend schwimmen die Calanus finmarchicus gemeinsam mit anderen Planktonorganismen an die Meeresoberfläche. Hier finden sie ihre Nahrung: Einzellige Algen, die nur im Licht gedeihen. Sie fressen im Schutze der Nacht, unentdeckt von ihren Fressfeinden. Bei Tagesanbruch vollzieht sich diese gigantische Vertikalwanderung in die andere Richtung. Die Ruderfußkrebse schwimmen zurück, um sich in der Dunkelheit der Meerestiefen vor ihren Feinden zu verstecken. Es ist die vermutlich größte tägliche Bewegung von Biomasse auf unserem Planeten.

Das Phänomen der vertikalen Wanderung ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Jetzt entdeckte das wissenschaftliche Team des AWI das Signal, das diese Meereslebewesen nutzen, um zu entscheiden, wann sie nach oben oder nach unten wandern. „Für uns war es erstaunlich, wie präzise die genetische Uhr den 24–Stunden–Rhythmus ohne äußere Reize beibehält und dass wir diesen Rhythmus sowohl unter kontrollierten Laborbedingungen als auch im natürlichen Lebensraum im schottischen Loch Etive fanden“, sagt Sören Häfker.

Im Labor simulierte das Forscherteam zunächst einen natürlichen Tag–Nacht–Rhythmus. Danach hielten sie die Krebse über mehrere Tage in völliger Dunkelheit. Sie maßen den Sauerstoffverbrauch der Tiere, der Aufschluss über die Stoffwechsel gibt. Und sie beobachteten, dass auch ohne Licht eine rhythmische Vertikalwanderung stattfand. Ihre Bewegungen werden also von einer genetischen Uhr bestimmt. Diese zeigt ihnen beispielsweise an, wann sie sich in Richtung Meeresgrund bewegen sollten, um sich vor tagaktiven Fressfeinden zu schützen.

Diese neue Erkenntnis soll dabei helfen, Änderungen durch die Klimaerwärmung für das Ökosystem vorherzusagen: Viele marine Arten zieht es mit der Klimaerwärmung zu den Polen. Dort haben die Tage und Nächte eine andere Länge. Bislang weiß man nicht, ob die inneren Uhren der Tiere sich an diesen Wandel anpassen können. „Nur wenn wir verstehen, wie genetische Uhren funktionieren und wie sie das Leben im Meer beeinflussen, können wir in Zukunft besser vorhersagen, wie marine Arten auf Veränderungen der Umwelt – etwa durch den Klimawandel – reagieren und welche Konsequenzen das für marine Ökosysteme hat“, erklärt Sören Häfker.


27.07.2017

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: